m Projekt »PflegeForensik« gehen Forschende des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern gemeinsam mit der Generalstaatsanwaltschaft Dresden und dem Kommissariat für Wirtschaftskriminalität der Polizeidirektion Leipzig mithilfe von KI gezielt gegen Abrechnungsbetrug im Pflegedienst vor. Die Arbeiten wurden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Programm »Forschung für die zivile Sicherheit« gefördert.

Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen verursacht jährlich Schäden von mehreren Milliarden Euro. Durch die Digitalisierung von Prozessen ergeben sich neue Möglichkeiten, Betrug systematisch zu entdecken – sei es in der Pflege, in Krankenhäusern oder der öffentlichen Verwaltung. Im Projekt »PflegeForensik« entwickeln die Projektbeteiligten seit 2021 eine Softwarelösung, die mit Künstlicher Intelligenz (KI) bei den Ermittlungen unterstützt sowie bei Arbeiten, die früher rein manuell durchgeführt wurden. 

Algorithmen auf der Suche nach Auffälligkeiten

Im Fokus des Projekts standen zunächst die Algorithmen zum automatischen Einlesen und intelligenten Auswerten der Papierberge. Denn fast jeder Pflegedienst hat seine eigenen, unterschiedlich aufgebauten Papierdokumente, die oft nur analog vorliegen und sogar handschriftliche Elemente beinhalten. Das automatisierte Prüfen hiervon stellte die Beteiligten vor eine echte Herausforderung. »Diese verschiedenen Dokumente werden manuell in Tabellen übertragen und geprüft. Das ist mühsame Fleißarbeit. Mit Bildverarbeitung beschleunigen wir diesen Prozess«, erklärt Dr. Henrike Stephani, stellvertretende Leiterin der Abteilung »Bildverarbeitung« am Fraunhofer ITWM. »Sowohl die Dokumentenstruktur lässt sich mit unseren Algorithmen erfassen als auch die Inhalte. Beispielsweise finden sie Unterschriften und ordnen sie den richtigen Personen zu.«

Gleichzeitig sind Touren- und Dienstpläne die Planungsbasis von Pflegediensten. Diese mit den Abrechnungsdaten zu vergleichen, kann Hinweise auf Betrugsfälle liefern.

»Eine Auffälligkeit besteht zum Beispiel darin, dass viele Leistungen abgerechnet werden, aber der Tourenplan nur einen kurzen Einsatz listet. Solche Besonderheiten müssen wir automatisiert finden«, ergänzt Dr. Elisabeth Leoff. Sie ist Projektleiterin und stellvertretende Leiterin der Abteilung »Finanzmathematik« beim Fraunhofer ITWM. »Unsere KI wird den Menschen im Prozess zukünftig natürlich nicht ersetzen, aber erheblich unterstützen«.

KI wird erst durch aufwändiges Training intelligent

Um diese Auffälligkeiten zu finden und digital auszuwerten, haben die Forschenden gemeinsam mit den Anwender:innen typische Ermittlungen in mathematische Modelle übersetzt. Hier hat das Team realistische Szenarien erstellt und die dazugehörigen Auswertungen durchgespielt.

Zum Trainieren der KI-Algorithmen wurde vom ITWM-Team und der Polizeidirektion Leipzig mit großem Aufwand Datenannotation betrieben. Das heißt: Mehrere hundert Dokumente sind zunächst anonymisiert, und dann mit Eigenschaften manuell markiert worden, um den Algorithmus intelligent zu gestalten. Auf Basis dessen wird programmiert und auch in Zukunft immer wieder mit Daten getestet und nachgebessert. 

PflegeForensik-Demonstrator auf dem Prüfstand

»Unsere Ergebnisse zeigen gute Fortschritte auf dem Weg zu einer Software, die die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden vereinfacht, aber auch von Versicherungen zur Prüfung der Abrechnungsunterlagen eingesetzt werden kann«, berichtet Leoff. »In der letzten Projektphase haben wir den Demonstrator weiter auf Echtdaten getestet.« Ende April 2023 fand dazu ein Workshop in Berlin statt. Die Teilnehmenden aus den Reihen der Strafverfolgungsbehörden, Justiz und Krankenkassen probierten den Software-Demonstrator direkt vor Ort aus.

»Das erfreuliche Ergebnis des interdisziplinären Forschungsprojektes zeigt sehr deutlich, dass die Strafverfolgung im Bereich des Abrechnungsbetrugs in der Pflegebranche beschleunigt und effektiver ausgestaltet werden kann. Die große Herausforderung besteht nun darin, die Ergebnisse dieses erfolgreichen Forschungsprojektes in die Praxis zu überführen«, so Generalstaatsanwalt Martin Uebele.  

Das Projekt endet im Juni 2023. Im nächsten Schritt heißt es im Idealfall »vom Prototypen zur Produktivsoftware«, die möglichst einfach zu bedienen ist und gleichzeitig gerichtsfeste Ergebnisse liefert. Das Team ist zuversichtlich und freut sich auf die Kontaktaufnahme weiterer Projektpartner.

Weitere Online-Informationen
www.itwm.fraunhofer.de/pflegeforensik

Medien-Beiträge
In der laufenden TV-Berichterstattung ist u.a. ein Beitrag zum Projekt in folgenden MDR-Sendungen geplant:

  • Sachsenspiegel 30.06.2023
  • Kripo Live 02.07.2023
  • Brisant 30.6.2023 und 02.07. 2023
Über Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM

Das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern zählt zu den größten Forschungsinstituten für angewandte Mathematik weltweit. Wir sehen unsere Aufgabe darin, die Mathematik als Schlüsseltechnologie weiterzuentwickeln und innovative Anstöße zu geben. Unser Fokus liegt auf der Umsetzung mathematischer Methoden und Technologie in Anwendungsprojekten und ihre Weiterentwicklung in Forschungsprojekten. Das enge Zusammenspiel mit Partnern aus der Wirtschaft garantiert die hohe Praxisnähe unserer Arbeit.

Deren integrale Bausteine sind Beratung, Umsetzung und Unterstützung bei der Anwendung von Hochleistungsrechnertechnologie und Bereitstellung maßgeschneiderter Software-Lösungen. Unsere verschiedenen Kompetenzen adressieren ein breites Kundenspektrum: Fahrzeugindustrie, Maschinenbau, chemische Industrie, Energie und Finanzwirtschaft. Dieses profitiert auch von unserer guten Vernetzung, beispielsweise im Leistungszentrum Simulations- und Software-basierte Innovation.

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Die Fraunhofer-Gesellschaft mit Sitz in Deutschland ist die weltweit führende Organisation für anwendungsorientierte Forschung. Mit ihrer Fokussierung auf zukunftsrelevante Schlüsseltechnologien sowie auf die Verwertung der Ergebnisse in Wirtschaft und Industrie spielt sie eine zentrale Rolle im Innovationsprozess. Als Wegweiser und Impulsgeber für innovative Entwicklungen und wissenschaftliche Exzellenz wirkt sie mit an der Gestaltung unserer Gesellschaft und unserer Zukunft. Die 1949 gegründete Organisation betreibt in Deutschland derzeit 76 Institute und Forschungseinrichtungen. Etwa 30 800 Mitarbeitende, überwiegend mit natur- oder ingenieurwissenschaftlicher Ausbildung, erarbeiten das jährliche Forschungsvolumen von rund 3,0 Mrd. €. Davon fallen 2,6 Mrd € auf den Bereich Vertragsforschung.

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