Die Stahlindustrie ist mit gut 6 Prozent einer der größten Treibhausgasemittenten in Deutschland[1]. Mitverantwortlich sind die bei der Stahlproduktion entstehenden Hüttengase. Sie enthalten u. a. Wasserstoff (H2), Stickstoff (N) und Kohlenstoffdioxid (CO2) und werden zumeist thermisch verwertet oder abgefackelt – unter Freisetzung großer Mengen CO2. Werden die Hüttengase stattdessen stofflich verwertet und im Kreislauf geführt, birgt das ein enormes Potenzial auf dem Weg zu einer klimaneutralen Industrie. Genau hier setzt die Arbeit der Forschenden des Fraunhofer UMSICHT an: Es ist ihnen gelungen, die Herstellung von Methanol auf Basis von Wasserstoff und Gasen zu demonstrieren, die in ihrer Zusammensetzung Hüttengasen entsprechen.
Der jüngste Erfolg war die kontinuierliche Methanolproduktion mithilfe einer Demonstrationsanlage über einen Zeitraum von fünf Wochen. »Zunächst lief die Anlage 20 Tage lang auf Basis von Kohlenstoffdioxid und Wasserstoff, da dies dem Auslegungspunkt der Anlage entspricht. Im Anschluss daran haben wir die Zusammensetzung des Feedgases variiert und die Anteile von Kohlenstoffmonoxid, Kohlenstoffdioxid, Stickstoff und Wasserstoff an die Zusammensetzung von Hüttengasen angepasst«, erklärt Dr. Andreas Menne, Leiter der Abteilung Low Carbon Technologies am Fraunhofer UMSICHT. Insgesamt wurden während dieser Versuchsreihe 1700 Liter Rohmethanol – das entspricht etwa 1000 Litern Methanol – gewonnen.
Vom Labormaßstab zur Demonstrationsanlage
Das Fraunhofer UMSICHT forscht bereits seit über fünf Jahren an dem Thema Methanolsynthese aus Hüttengasen. Am Anfang musste eine Basis für die Praxisversuche geschaffen werden, indem der Einfluss der Betriebsparameter Druck, Temperatur und Gasmengenstrom bei unterschiedlichen Gaszusammensetzungen untersucht wurde. »Dadurch haben wir weitreichende Erkenntnisse zum Verhalten des Katalysators erhalten, auf die wir im späteren Verlauf aufgebaut haben«, erklärt Andreas Menne. Parallel dazu haben die Forschenden Modelle entwickelt, um den Prozess der Methanolsynthese simulieren zu können. Es folgten erste vielversprechende Versuche im Labor und die Skalierung – die größere Laboranlage hatte bereits eine Produktionskapazität von 50 ml Methanol pro Stunde.
Die aktuell betriebene Demonstrationsanlage schafft 2 Liter pro Stunde. Sie basiert im Kern auf einer vorhandenen Containeranlage, die bereits über wesentliche Merkmale einer Produktionsanlage – Kreislaufführung nicht umgesetzter Einsatzgase und Reaktorkühlung über einen Siedewasserkreislauf – verfügte. »Um die Prozesse weiter zu optimieren, haben wir Simulation und experimentelle Untersuchungen im Demonstrationsmaßstab zusammengeführt«, so Andreas Menne. »Die Ergebnisse der Prozesssimulation bilden die Realität sehr genau ab. Wir sind in der Lage, Wirtschaftlichkeit und CO2-Ersparnis auszurechnen und damit perspektivisch den Betrieb einer Produktionsanlage zu optimieren.«
Betrieb mit realen Hüttengasen
Anders als die Laboranlagen, die bereits mit Flaschengasen und gereinigten Hüttengasen betrieben wurden, arbeitet die Demonstrationsanlage bisher nur mit Flaschengasen. Als nächstes steht daher der Einsatz von Hüttengase auf dem Plan. Hiervon verspricht man sich nochmals weitere Erkenntnisse für die Auslegung und den Betrieb einer Produktionsanlage. »Gleichzeitig möchten wir die Ergebnisse aus der Prozesssimulation und den Betrieb der Anlage noch weiter miteinander verbinden«, sagt Andreas Menne. Hierfür wird zurzeit ein so genannte digitaler Zwilling der Anlage erstellt. Es soll künftig möglich sein, die Anlage so zu steuern, dass vorausschauend auf schwankende Randbedingungen wie Wasserstoffverfügbarkeit, Gasmengenströme und Gaszusammensetzungen reagiert werden kann. Auch könnten notwendige Wartungsintervalle, etwa um den Katalysator zu wechseln oder zu regenerieren, genau geplant werden.
Nach dem Abschluss dieser Testphase im Februar 2022 wird die Demonstrationsanlage von ihrem aktuellen Standort am Fraunhofer UMSICHT in Oberhausen in ein Duisburger Stahlwerk ins dortige Carbon2Chem®-Technikum umgesetzt. Hier wird sie unter Realbedingungen zunächst bis zum Ende der Projektlaufzeit im Mai 2024 betrieben. Parallel dazu werden weitere Anlagenkapazitäten aufgebaut, um zukünftig flexibel an möglichen CO2-Quellen zum Thema Methanolsynthese arbeiten zu können.
Methanolproduktion bindet CO2
Die Forschenden des Fraunhofer UMSICHT zeigen sich sehr zufrieden mit den bisherigen Ergebnissen. Andreas Menne: »Gelingt uns eine weitere Maßstabsvergrößerung, besitzt die Technologie das Potenzial, enorme Mengen CO2 aus Industriegasen zu binden und mit Methanol ein Produkt herzustellen, das gleichzeitig unsere Mobilität sichert und als Basischemikalie eingesetzt werden kann.« Indem die anfallenden Rohstoffe der einen Industrie in der nächsten genutzt werden, entstehe ein geschlossener Kohlenstoffkreislauf.
»Dank der Simulationen können wir einen technisch möglichen Rahmen definieren«
In einem begleitenden Interview gehen die Fraunhofer-Experten Stefan Schlüter und Tim Schulzke ins Detail und geben interessante Hintergrundinformationen: Was sind die Herausforderungen auf dem Weg zur großtechnischen Umsetzung einer nachhaltigen Methanolproduktion? Welche Bedeutung hat die Simulation für den realen Anlagenbetrieb?
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