„Der russische Angriff auf die Ukraine hat die strukturellen Schwächen der deutschen Energiepolitik drastisch offengelegt“, sagt IHK-Präsident Stefan Hagen. „Es muss jetzt darum gehen, ohne Tabus die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen und insbesondere den Netzausbau weiter zu erleichtern, damit Deutschland bei der Energie wieder Boden gutmacht und Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnt.“
LNG-Terminals zeigen, was möglich ist
Insbesondere für den Schlüsselbereich der energieintensiven Industrie, deren Lage die IHK Ende Februar in einem eigenen Nachhaltigkeitsbericht beleuchtet hat (siehe Hintergrundinformation unten), ist eine schnelle Ausweitung des Energieangebots von großer Bedeutung. Unternehmen aus Branchen wie Chemie, Metall oder Keramik sind auf konkurrenzfähige Energiepreise angewiesen. Sie wollen in zunehmendem Maß grünen Strom und Biomethan, perspektivisch auch Wasserstoff beziehen. Die Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sie ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit erhalten können.
„Auf diesem Weg muss die Politik stets dafür Sorge tragen, dass die Standortbedingungen konkurrenzfähig bleiben. Insbesondere darf sie den Unternehmen nicht noch zusätzliche bürokratische Belastungen auferlegen, sondern muss sie vielmehr reduzieren“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Hubertus Hille. Aus Sicht der IHK ist ein entscheidender Faktor, dass Politik und Verwaltung die Planungs- und Genehmigungsverfahren für den nötigen Ausbau der Energieinfrastruktur weiter beschleunigen. „Der rasante Aufbau der LNG-Terminals hat gezeigt, was möglich ist, wenn alle an einem Strang ziehen“, sagt Hille. „Will die Politik die Energiewende zum Erfolg führen, muss das heißen: Volle Kraft in den Ausbau unserer Energieinfrastruktur, das heißt schneller Auf- und Ausbau von Übertragungsnetzen, Windparks, Pipelines usw.“
Dr. Arndt Selbach, Leiter des Evonik-Chemieparks in Wesseling, vermittelte als Gastredner ein eindrückliches Bild von der Bedeutung und den derzeitigen Herausforderungen der Chemiebranche. „Wir müssen von einer ideologisch geführten Diskussion zurück zu einer fachlich fundierten Diskussion kommen. Die chemische Industrie ist Teil der Lösung. Sie liefert die notwendigen Produkte für Energieeinsparung und Energiespeicherung und macht eine effektive Kreislaufwirtschaft erst möglich“, sagte Selbach.
Die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts leide immens unter den aktuellen Rahmenbedingungen. Deutschland sei im internationalen Vergleich nicht mehr wettbewerbsfähig. Sinkende Investitionen seien schon jetzt die Folge. „Die Herausforderungen, die mit der Transformation zur CO2-Neutralität auf uns zukommen, sind wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch immens. Wir werden sie nur meistern, wenn wir eine global wettbewerbsfähige chemische Industrie haben“, betonte er.
Netzausbau sollte als „überragendes öffentliches Interesse“ eingestuft werden
In dem nun beschlossenen Positionspapier mit insgesamt zehn Forderungen spricht sich die IHK u.a. dafür aus, den (Um-)Bau neuer Transportinfrastrukturen wie den Ausbau erneuerbarer Energien und der dafür notwendigen Netze als „überragendes öffentliches Interesse“ sowie als Beitrag zur öffentlichen Sicherheit einzustufen. Darüber hinaus plädiert die IHK dafür, die Netzentgelte für die ersten Nutzer neuer Infrastrukturen zu deckeln. Zudem sollten die Netzentgelte auf nationaler Ebene harmonisiert werden. In ihrer Sitzung hat die Vollversammlung außerdem das Positionspapier „Nachhaltig Wirtschaften“ beschlossen.
Hintergrundinformationen:
Nachhaltigkeitsbericht Energieintensive Industrie:
Die Pressemitteilung zur Vorstellung des Nachhaltigkeitsberichts „Energieintensive Industrie“ mit Informationen zur Bedeutung und Lage der energieintensiven Industrie in Bonn/Rhein-Sieg finden Sie unter: https://www.ihk-bonn.de/pressemeldungen/detail/ausserordentliche-herausforderungen-fuer-energieintensive-industrie-in-bonn-rhein-sieg.
IHK-Vollversammlung:
Die Vollversammlung wird auch „Parlament der Wirtschaft“ genannt. Sie ist das wichtigste Gremium der IHK. Ihre ehrenamtlichen Mitglieder werden von den Mitgliedern der IHK alle fünf Jahre in freier, gleicher, geheimer und direkter Wahl gewählt. Die Wahl zur Vollversammlung erfolgt in Wahlgruppen und Wahlbezirken, damit das Gremium die Branchen und die Wirtschaftsstruktur des IHK-Bezirks widerspiegelt. Die derzeitige Vollversammlung hat sich im Januar 2022 konstituiert.
Die Vollversammlung bestimmt die Richtlinien der IHK-Arbeit und fasst Beschlüsse in allen Angelegenheiten, die für die IHK-zugehörige gewerbliche Wirtschaft oder die Arbeit der IHK von grundsätzlicher Bedeutung sind.
Weiterführende Informationen zur IHK-Vollversammlung finden Sie unter www.ehrenamt.ihk-bonn.de.
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