Die Reformpläne des deutschen Gesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) zur Apothekenreform stoßen auf erhebliche Kontroversen und werfen Fragen zur möglichen Marktliberalisierung auf. Unter dem Deckmantel des "Bürokratieabbaus" präsentiert, könnten die vorgeschlagenen Maßnahmen weitreichende Auswirkungen auf die Struktur und Versorgung im Apothekenmarkt haben.

Lauterbachs Vorstoß beinhaltet die Einrichtung von Filialen ohne Rezeptur, Notdienst und physische Anwesenheit von Approbierten, was besonders bei der Apothekerschaft auf Unverständnis und Entsetzen stößt. Die offizielle Begründung lautet, die Gründung und den Betrieb von Apotheken in strukturschwachen Gebieten attraktiver gestalten zu wollen. Angesichts von Fachkräftemangel, wachsendem Stadt-Land-Gefälle und Abwanderungstendenzen sieht Lauterbach Handlungsbedarf für eine flächendeckende Arzneimittelversorgung.

Das Bundesgesundheitsministerium schätzt mögliche Einsparungen für die Apothekerschaft auf 9 Millionen Euro, vorausgesetzt, sie nutzen die neuen Möglichkeiten intensiv. Doch die langfristigen Auswirkungen auf den gesamten Apothekenmarkt bleiben unklar und werfen Fragen zur Nachhaltigkeit und Gleichberechtigung auf.

Schon 2005 hatten Drogerieketten wie Schlecker, Rossmann und dm Pläne zur Markteintritt in den Apothekenmarkt entwickelt, damals jedoch aufgrund von Hindernissen wie qualifiziertem Personal, rechtlichen Vorgaben und Notdienstpflicht aufgegeben. Lauterbachs Reformpläne deuten nun darauf hin, dass die Drogerieketten nach wie vor ein Interesse an verstärkter Präsenz im Apothekenmarkt haben.

Die geplanten Lockerungen der räumlichen Anforderungen und die Erweiterung der Vertretungsmöglichkeiten für pharmazeutisch-technische Assistenten (PTA) lassen auf eine umfassendere Liberalisierung schließen. Die Position von dm-Chef Christoph Werner betont die Sensibilität der Debatte, indem er eine verstärkte Rolle der Drogerieketten im Gesundheitsbereich als Möglichkeit sieht.

Der Dauerkampf von dm gegen die Apothekenpflicht im Ausland weist darauf hin, dass die Drogeriekette bereits versucht hat, regulatorische Hindernisse zu überwinden. Der gescheiterte Individualantrag in Österreich zeigt jedoch, dass die Apothekenpflicht trotz aller Bemühungen weiterhin Bestand hat.

Die Debatte um eine umfassende Liberalisierung des Apothekenmarktes bleibt somit ein umstrittenes und heikles Thema, in dem wirtschaftliche Interessen auf regulatorische Vorgaben und die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung prallen.

Kommentar: Die Gratwanderung zwischen Wirtschaftsinteressen und Gesundheitsvorsorge

Die aktuellen Reformpläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach werfen einen Schatten auf den Apothekenmarkt, der bereits seit Jahren von einem Spannungsverhältnis zwischen wirtschaftlichen Interessen und der Sicherstellung der Gesundheitsversorgung geprägt ist.

Die vorgeschlagenen Maßnahmen, die unter dem Deckmantel des "Bürokratieabbaus" daherkommen, bergen erhebliche Risiken. Die Einrichtung von Filialen ohne grundlegende apothekerische Dienstleistungen könnte die Qualität der Versorgung beeinträchtigen und den Verbraucherschutz gefährden. Die Besorgnis der Apothekerschaft ist nicht unbegründet, wenn es um die physische Anwesenheit von Approbierten und den Notdienst geht, die als essenzielle Elemente der Arzneimittelversorgung gelten.

Die geplante Liberalisierung, die den Drogerieketten Tür und Tor öffnet, wirft ebenfalls wichtige Fragen auf. Die gescheiterten Versuche von dm im Ausland, die Apothekenpflicht zu umgehen, zeigen, dass es hier um mehr geht als nur um den vermeintlichen "Bürokratieabbau". Der Apothekenmarkt ist ein sensibles Gefüge, in dem die Balance zwischen freiem Wettbewerb und der Sicherstellung von Standards entscheidend ist.

Die Position von dm-Chef Christoph Werner, der eine verstärkte Rolle der Drogerieketten im Gesundheitsbereich sieht, wirft die Frage auf, ob der Apothekenmarkt wirklich von einer verstärkten Präsenz von Drogerieketten profitieren würde. Die Tatsache, dass diese Ketten bereits 2005 ähnliche Pläne hatten, deutet darauf hin, dass ihre Interessen langfristig angelegt sind.

Von Engin Günder, Fachjournalist

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