Der Fall drehte sich um eine Einmündung, an der die Vorfahrtsregel "rechts vor links" galt. Ein Autofahrer bog nach rechts ab und kollidierte dabei mit dem von rechts kommenden Fahrzeug des Beklagten, das aufgrund parkender Fahrzeuge nicht rechtzeitig wahrgenommen wurde.
Der Pkw-Fahrer, der die Vorfahrt missachtet hatte, argumentierte, dass der Beklagte ebenfalls für den Unfall mitverantwortlich sei, da er zum Zeitpunkt der Kollision ohne verkehrstechnischen Grund in der Fahrbahnmitte fuhr. Der Beklagte hingegen betonte, dass sein Vorfahrtsrecht die gesamte Straßenbreite abdecke. Bei eingeschränkter Sicht hätte der Kläger sich vorsichtig in den Einmündungsbereich hineintasten müssen.
Das Gericht stimmte zwar zu, dass ein Wartepflichtiger nur dann in eine Vorfahrtsstraße einfahren dürfe, wenn er sicher sein könne, dass er den Vorfahrtsverkehr weder gefährde noch wesentlich behindere. Bei eingeschränkter Sicht müsse der Fahrer sich vorsichtig in die Kreuzung oder Einmündung hineintasten.
Allerdings stellten die Richter fest, dass ein "Hineintasten" nur dann vorliege, wenn der Wartepflichtige bis zum Übersichtspunkt zentimeterweise heranfahre und jederzeit anhalten könne. Schrittgeschwindigkeit sei bereits zu hoch. Im vorliegenden Fall sei der klagende Fahrer jedoch mit einer Geschwindigkeit von etwa 15 Kilometern pro Stunde quasi "blind" nach rechts in die Vorfahrtsstraße abgebogen, weshalb er die Hauptverantwortung für den Unfall trug.
Dennoch wurde dem Beklagten aufgrund der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs eine Mithaftung zu 25 Prozent auferlegt. Da er zum Zeitpunkt der Kollision nachweislich in der Fahrbahnmitte fuhr, habe er gegen das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme gemäß § 1 Satz 1 StVO verstoßen. Das grundlose Befahren der linken Fahrbahnhälfte erhöhe die Betriebsgefahr eines Fahrzeugs und führe zu einer Mithaftung gemäß der obergerichtlichen Rechtsprechung.
Das Urteil des Gerichts ist endgültig und es wurde keine Revision zugelassen.
von Oliver Ponleroy, Fachjournalist
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