Krankenhäuser haben während der zweiten und dritten Corona-Welle in Deutschland Hilfszahlungen erhalten, wenn die Intensivbetten-Belegung hoch war. Unter anderem hatte allerdings der Bundesrechnungshof den Verdacht erhoben, dass Krankenhäuser die Anzahl der gemeldeten Intensivbetten manipuliert haben könnten, um solche Hilfszahlungen zu erhalten. Wie eine aktuelle Studie des ZEW Mannheim zeigt, lässt sich allerdings empirisch kein Nachweis dafür erbringen: Weder die Verteilung der gemeldeten freien Kapazitäten noch deren Entwicklung über die Zeit weisen signifikante Auffälligkeiten auf.

Der Rückgang der Intensivbettenkapazität während der zweiten und dritten Corona-Welle in Deutschland war daher wahrscheinlicher durch direkte Folgen der Erkrankungslast bedingt, als durch manipulierte Meldungen. „Die Behauptung, Krankenhäuser hätten ihre Bettenkapazität strategisch gemeldet, um zusätzliche Hilfszahlungen zu erhalten lässt sich empirisch nicht nachweisen“, so Dr. Simon Reif, Leiter der Forschungsgruppe „Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik“ am ZEW und Ko-Autor der Studie. Die ZEW-Wissenschaftler/innen haben untersucht, wie Krankenhäuser auf Hilfszahlungen der Bundesregierung während der zweiten und dritten Corona-Welle von November 2020 bis April 2021 reagiert haben. Ein Kriterium für Hilfszahlungen war eine Intensivbetten-Belegungsrate von über 75 Prozent in einem Stadt-oder Landkreis – eine Kennzahl, die von den Krankenhäusern direkt beeinflusst werden konnte. Eine solche Beeinflussung der gemeldeten Kapazitäten wurde unter anderem vom Bundesrechnungshof angedeutet.

Hilfszahlungen haben Krankenhäuser vor Zahlungsunfähigkeit bewahrt

Anfang 2020 wurde das deutsche Gesundheitssystem unerwartet von der Corona-Pandemie getroffen. Da Krankenhäuser in Deutschland von den Krankenversicherungen pro Fall bezahlt werden, stellte die Pandemie die Krankenhäuser vor eine schwierige finanzielle Situation. Zum einen haben Erkrankte aus Angst vor Ansteckung geplante Behandlungen abgesagt, was zu weniger Fällen führte. Zum anderen sollten Krankenhäuser Kapazitäten freihalten, um die hohe erwartete Anzahl an Covid-19-Fällen versorgen zu können. Der mit den niedrigeren Fallzahlen einhergehende Einnahmenrückgang hätte ohne staatliche Intervention dazu führen können, dass Krankenhäuser zahlungsunfähig geworden wären. Um diese finanziellen Schwierigkeiten abzumildern, wurden daher von der Regierung Hilfsprogramme für Krankenhäuser aufgelegt.

Keine Auffälligkeiten in gemeldeten Bettenkapazitäten

Hilfszahlungen der Bundesregierung waren neben der freien Bettenkapazität auch an das Überschreiten von Corona-Inzidenzzahlen gekoppelt. „Wenn die Reduktion der freien Intensivbetten-Kapazität also eine Reaktion wäre, um über die Belegungsgrenze für Corona-Hilfszahlungen zu kommen, dann müsste der Rückgang freier Betten verstärkt dann passiert sein, wenn die Corona-Inzidenz über dem Grenzwert war. Es lässt sich allerdings keine signifikante Änderung in der Anzahl der gemeldeten freien Betten feststellen. Genauso wenig wie auffällige Häufungen in der Verteilung der Bettenkapazitäten, die auf Manipulation schließen ließen“, erläutert Sabrina Schubert, ZEW-Ökonomin in der Forschungsgruppe „Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik“ und Ko-Autorin der Studie. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Verknappung der Intensivkapazitäten während der zweiten und dritten Corona-Welle eine direkte Folge der Erkrankungslast und keine strategischen Meldungen waren. In der ZEW-Studie wurden erstmals öffentlich verfügbare Daten aus verschiedenen Quellen analysiert. Dazu zählen Inzidenzdaten des Robert-Koch-Instituts (RKI), Daten aus dem Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) sowie Krankenhausinformationen aus der Krankenhausstatistik der statistischen Ämter von Bund und Ländern.

Datenzugang für Wissenschaft muss verbessert werden

Die ZEW-Studie kann allerdings aufgrund des beschränkten Datenzugangs nicht ausschließen, dass es in Einzelfällen tatsächlich zu manipulierten Meldungen gekommen ist. „Für viele Analysen zum deutschen Gesundheitssystem fehlt es an einem umfassenden Datenzugang und der Möglichkeit der Datenverknüpfung für die Wissenschaft“, so Dr. Simon Reif. „Nicht nur während und nach Ausnahmesituationen wie der Corona-Pandemie, sondern auch für die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems generell benötigen wir ein besseres Verständnis über die Gesundheitsversorgung, das allerdings mit den aktuell sehr beschränkten Daten schwer zu erreichen ist.“

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Das ZEW in Mannheim forscht im Bereich der angewandten und politikorientierten Wirtschaftswissenschaften und stellt der nationalen und internationalen Forschung bedeutende Datensätze zur Verfügung. Das Institut unterstützt durch fundierte Beratung Politik, Unternehmen und Verwaltung auf nationaler und europäischer Ebene bei der Bewältigung wirtschaftspolitischer Herausforderungen. Zentrale Forschungsfrage des ZEW ist, wie Märkte und Institutionen gestaltet sein müssen, um eine nachhaltige und effiziente wirtschaftliche Entwicklung der wissensbasierten europäischen Volkswirtschaften zu ermöglichen. Das ZEW wurde 1991 gegründet. Es ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Derzeit arbeiten am ZEW Mannheim rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen zwei Drittel wissenschaftlich tätig sind.

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