Realzins besser als gedacht
Folgt jetzt ein vierzigjähriger Bärenmarkt auf die lange Phase sinkender Zinsen? „Ausschließen kann man es nicht“, bestätigt Werner Krämer. Aber er schränkt ein: „Innerhalb solcher Makrozyklen gibt es immer Phasen mit Gegenbewegungen. Im Moment scheint es so, als ob der Zinsanstieg an Vehemenz verliert.“ Eine weitere Überlegung seinerseits ist eine Berechnung des Realzinses auf der Grundlage der Inflationserwartung. „Wenn der Realzins berechnet wird, indem die Inflation vom Zins abgezogen wird, ist das zu kurz gedacht. Wir wollen in unseren Portfolios die Inflationserwartungen widerspiegeln. Wenn wir auf dieser Grundlage den Realzins von zehnjährigen Treasuries berechnen, kommen wir auf ungefähr zwei Prozent. In der Eurozone liegt dieser Realzins aktuell noch tiefer, hier sind unter diesen Gesichtspunkten vor allem Spread-Produkte interessant.“
Kernportfolio aus Unternehmensanleihen
Michael Weidner betrachtet zwei Aspekte, um ein attraktives Portfolio zusammenzustellen: Der eine ist der strategische Aufbau, der zweite die buchhalterische Herangehensweise. Strategisch setzt er auf Unternehmensanleihen: „Gegenüber Staatsanleihen sieht die Mehrrendite von Unternehmensanleihen wirklich sehr attraktiv aus. Unternehmensanleihen werden gegen Swaps gepreist und hier ist die Kurve viel stärker in der Rendite gestiegen, als das bei Bundesanleihen der Fall ist. Das liegt in erster Linie daran, dass Bundesanleihen trotz Zinsanstieg nach wie vor zu niedrig rentieren.“ Anleger müssten zwar damit rechnen, dass die Risikoprämien noch einmal steigen könnten. „Aber im kurzen Laufzeitbereich mit hochqualitativen Titeln sind wir zuversichtlich, dass wir uns gerade auf einem sehr interessanten Einstiegsniveau befinden“, so Weidner.
Für dieses High-Quality-Portfolio empfiehlt er insbesondere institutionellen Investoren eine Buy-and-maintain-Strategie. Denn dann könnten diese Anleihen buchhalterisch im Anlagevermögen statt im Umlaufvermögen geführt werden. Der Stratege erklärt den Vorteil: „Im Anlagevermögen müssen die Anleihen nicht ,mark to market‘ bewertet werden. Schwankungen fallen also weniger ins Gewicht. Die Anlagen werden in der Regel bis zur Fälligkeit im Buch gehalten und nur bei Bedarf im Zuge der ständigen Risikoüberwachung getauscht. Die Kupons werden wieder angelegt.“ Er und sein Team haben ein Portfolio aus 78 Titeln zusammengestellt, das bei einem Durchschnittsrating von A+ und einer Duration von etwas mehr als 3 Jahren eine Rendite von fast 4 Prozent erwirtschaftet. „Wichtig zu wissen: Diese Strategie funktioniert nur in Form einer Direktanlage und einer fortlaufenden Kreditanalyse, denn Ratingherabstufungen führen unserer Erfahrung nach oftmals zu Abschreibungen“, erläutert der Experte.
Potenzielle Zusatzrendite mit Satelliten
Aus Sicht der Rentenexperten kann es für Anleger zudem lohnend sein, ein solches Kernportfolio um Satelliten zu ergänzen, die eine höhere Rendite versprechen, dabei allerdings auch ein höheres Risiko aufweisen und sich daher nicht als Basisinvestment eignen.
Laut Michael Weidner eignen sich im derzeitigen Marktumfeld insbesondere Anleihesegmente mit Kreditspread, die einen Mehrertrag und ein gewisses Polster vor weiteren Zinsanhebungen versprechen. Darunter subsumiert der Experte Nachrang- oder Hybridanleihen sowie High-Yield-Anleihen. Für Anleger, die bewusst Risiko in diesem Bereich suchen, können nordische High-Yield-Anleihen ein Blick wert sein. „Nordic High Yield ist im Moment unser Liebling auf der Risikoseite für alle, die hohe Risiken aushalten können und wollen“, so der Experte.
Aktien-Renten-Allokation weiterhin sinnvoll
Ökonom Werner Krämer ist überzeugt, dass ein solches Core-Satellite-Portfolio innerhalb einer Aktien-Renten-Allokation nach wie vor sinnvoll ist: „Diversifikation mit Aktien und Renten funktioniert auf lange Sicht. Kurzfristig und krisenbedingt können Korrelationen auf 1 zusammenlaufen. Im Jahr 2022 wurden neben Aktien parallel auch Bundesanleihen abverkauft und dadurch brach selbst die traditionelle Gegenläufigkeit kurzfristig in sich zusammen. Aber aus meiner Sicht ändert das nicht das ganze System von Rendite und Risiko, da die fundamentalen Zusammenhänge bleiben.“
Ein großes Problem seien aber weiterhin die Zentralbanken, die seiner Meinung nach in den vergangenen Jahren durch ständige Interventionen zu viel Einfluss auf die Märkte genommen haben. „Doch durch die Inflation ist deren Handlungsspielraum jetzt eingeschränkt. Dadurch könnte sich auch bei den Zentralbanken die Einsicht durchsetzen, dass man nicht ohne Konsequenzen beliebig Geld drucken kann“, sagt Krämer. Er hofft auf eine Rückkehr zu einer „normaleren“ Geldpolitik.
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