– Unternehmen müssen politische Maßnahmen für mehr Diversität und Vereinbarkeit von Familie und Beruf ernst nehmen.
– Frauenquote geht selten über das politisch geforderte Minimum hinaus.
Es geht voran mit der Diversität in deutschen Unternehmen. Das ist die gute Nachricht zum zehnten Jahrestag des Deutschen Diversity-Tags. Doch es geht zu langsam. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland nur im hinteren Mittelfeld. Gesetzliche Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, mobile Arbeitswelten oder auch die Frauenquote für Vorstände und Aufsichtsräte greifen zwar, aber nur dort, wo sie ansetzen sollen und auch nicht mehr als nötig. Das belegen zahlreiche Studien und bestätigt sich im Executive Search – dort, wo die Top-Führungskräfte in Deutschland rekrutiert werden.
„Die deutsche Politik hat in den vergangenen Jahren bereits viele gute Maßnahmen eingeführt, die nicht nur mehr Geschlechterparität ermöglichen, sondern auch darüber hinaus die Vielfalt in Unternehmen fördern können“, sagt Dagmar-Elena Markworth, Beraterin bei Odgers Berndtson. „Doch für jede Karriereentscheidung braucht es am Ende auch den Willen und das Engagement von Unternehmen und Kandidat:innen den Weg zum Wohle aller durchzuziehen.“
Während das zweite Führungspositionen-Gesetz der Besetzung von mehr Frauen in Top-Positionen formal Antrieb geleistet hat, sieht man ein Jahr nach Inkrafttreten, dass viele Unternehmen ihr Engagement mit Erfüllung der Mindestanzahl an weiblichen Vorständinnen wieder zurückfahren. Stieg der Frauenanteil in DAX-Vorständen von 2019 bis 2021 von 14 auf 17 Prozent, stagniert er 2022 trotz Quote und neuen Unternehmen, wie der im Juli erscheinende DAX-40-Vorstandsreport von Odgers Berndtson belegt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch der Diversity-Report der AllBright Stiftung aus dem November 2021. Von Geschlechterparität ist die deutsche Wirtschaft weit entfernt. Im Mittelstand und vor allem in Familienunternehmen, wo die Frauenquote nicht greift, sieht es noch schlechter aus. Nur 8,3 Prozent Frauen sind laut Bericht der AllBright-Stiftung in der Geschäftsführung der 100 größten Familienunternehmen.
„In der Automobil- und Zulieferindustrie steht das Thema Gender Diversity ganz oben auf der Agenda“, sagt Olaf Szangolies, Partner bei Odgers Berndtson im Segment Automobil und Industries. „Es gibt bei deutschen Autobauern zahlreiche Programme zur Förderung von Frauen im Top-Management. Allerdings werden viele Initiativen nur formal gelebt“, erläutert der Automobil-Experte. Es bestehe ein Gap zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen und der Akzeptanz der Programme vor allem auf den Ebenen unter dem Vorstand. „Wird Elternzeit zwar formal akzeptiert, zeigt sich in der Realität leider immer wieder, dass Frauen wie Männer einen Karriereknick erleiden, wenn sie sich eine Zeitlang um ihre Familie kümmern. Wer den Karriereporsche für den Familien-Kombi eintauscht, hat es schwer auf der beruflichen Überholspur akzeptiert zu werden. Und dabei reden wir alle von der Mobilitätswende zum Wohle künftiger Generationen“, ergänzt Emanuel Pfister, ebenfalls Associate Partner im Automotive Bereich.
Ist Inclusion & Diversity also mehr Schein als Sein? Der BCG Gender Diversity Index zieht eine interessante Verbindung. Unternehmen, die Geschlechter-Diversität im Top-Management fördern, haben gleichzeitig einen hohen ESG-Score. Sie handeln sozialer, ökologischer und nachhaltiger. Es sind vor allem die Unternehmen, die sich bereits vor Jahren einem Nachhaltigkeitsstreben verpflichtet haben, wie die Deutsche Telekom, Allianz oder Siemens. Sie alle haben das Thema Frauenquote bereits auf ihre Agenda gesetzt, als es vor mehr als zehn Jahren erstmals kritisch thematisiert wurde. Sie haben aber auch erkannt, dass Diversität tatsächlich ein Erfolgsfaktor ist.
An diesen Punkt müssen andere Unternehmen noch kommen. „ESG ist der Sammelbegriff für „Environment, Social & Governance“ und soll den Weg hin zu einer nachhaltigeren Welt bestimmen. Doch während das „E“ aus ESG bei der Umsetzung die Nase vorn hat, verblassen die „S“- und „G“-Faktoren deutlich“, schreibt Klaus Hansen, Partner bei Odgers Berndtson in seiner Kolumne für das Handelsblatt. Grund sei die Tatsache, dass es für den Umwelt- und Klimaschutz genügend äußere Antreiber gebe – darunter die EU-Taxonomie, aber auch Investoren, Kunden, Konsumenten und potenzielle neue Mitarbeiter. „Wer nicht auf der grünen Welle surft, hat ein Problem“, so Hansen. Zudem sind Maßnahmen zur Klimaneutralität en Vogue und heute auch schnell umsetzbar – prozessual und auch wirtschaftspolitisch.
Bis sich belegen lässt, dass Frauen und andere diverse Gruppen tatsächlich zum wirtschaftlichen Erfolg beitragen, braucht es Zeit und Mut. Mut eine männerdominierte Arbeitswelt zu reformieren. Wer schon vor der digitalen Transformation Angst um seine berufliche Daseinsberechtigung hatte, hat auch vor der Transformation der Arbeits- und Führungswelt Angst. Trotzdem bringt die digitale Transformation nachweislich viele Vorteile. Man muss es nur ausprobieren. Sowohl die Frauen, die sich mit ihrer Art zu Führen im Top-Management eingliedern müssen, als auch die Männer, die zulassen müssen, dass Frauen und andere vermeintliche Randgruppen in ihre Reihen nicht nur frischen Wind, sondern mehr Innovationskraft bringen.
Ein Blick auf die Vorstände, die ausländischer Herkunft sind, zeigt den Wandel. Der Anteil ausländischer Vorstände in den DAX-Konzernen ist in den vergangenen zehn Jahren um zehn Prozent gestiegen. Zehn der aktuell 40 DAX-Vorstandsvorsitzenden sind nicht in Deutschland geboren. „Wir haben in Deutschland nicht nur ein Fachkräfteproblem, sondern auch ein Führungskräfteproblem. Vor allem, wenn es sich um Frauen handelt, geht der Suchradius auch bis ins Ausland. Denn hier sind mehr erfahrene Frauen auch mit technischem Hintergrund zu finden“, erklärt Angela Böhm, Principal bei Odgers Berndtson in der Tech Practice. „Das Problem im IT-Sektor besteht darin, dass immer noch zu wenig Frauen in Deutschland ein Studium oder eine Ausbildung mit einem technischen Fokus wählen und eine entsprechende Karriere beschreiten. Dadurch gibt es schlichtweg noch zu wenig Frauen mit einem aufgeprägt technischen Profil.“
Auch wenn immer Unternehmen bei Suchanfragen für neue Vorstands-Positionen ein paritätisches Verhältnis von Männern und Frauen auf der Shortlist wünschen und mit einer Frau im Vorstand ein Zeichen für Diversität setzen wollen, bleibt das Problem einer zu geringen Vielfalt weiterhin bestehen. Um dies nachhaltig zu ändern, braucht es mehr als politische Maßnahmen. Es braucht Mut für Veränderungen einzustehen – sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen. Es gibt bereits erfolgreiche Frauen mit Vorbildcharakter, doch sind sie rar und viele wollen sich auch nicht als Aushängeschild für Diversität abstempeln lassen. Sie wollen einfach einen guten Job machen – unabhängig von Herkunft und Geschlecht. Deshalb braucht es neben Mut zur Veränderung die Erkenntnis, dass Vielfalt im Denken und Führen einen nachhaltigen Erfolg für die deutsche Wirtschaft bringt. Diversity & Inclusion als Hebel für eine neue Innovationskultur, die nicht sich nicht von Megatrends leiten noch vom mentalen Zeitgeist treiben lässt.
Odgers Berndtson ist seit mehr als 50 Jahren eines der weltweit führenden Unternehmen für Executive Search und Leadership Assessment. Das Unternehmen sucht Führungskräfte und Spezialist:innen für Unternehmen in allen Branchen, öffentlichen Verwaltungen und Non-Profit-Organisationen. Odgers Berndtson Deutschland ist inhabergeführt und beschäftigt aktuell 100 Mitarbeitenden in Frankfurt und München. Weltweit sind rund 1.000 Mitarbeiter:innen an 67 Standorten in 35 Ländern für Odgers Berndtson tätig. Die Berater:innen arbeiten in international vernetzten Industry Practices, die sich auf die branchenspezifischen Bedürfnisse ihrer Klient:innen konzentrieren.
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