„Die angespannte Lage in der Weltwirtschaft und zunehmende Schwankungen im Containerschiffnetzwerk werden im Kiel Trade Indicator durch fast ausschließlich negative Vorzeichen sichtbar. Reale Verwerfungen durch die Invasion Russlands in der Ukraine und die Sanktionen des Westens sowie eine hohe Unsicherheit der Firmen mit Beziehungen zu Russland werfen den Märzhandel spürbar zurück“, sagt Vincent Stamer, Leiter Kiel Trade Indicator.
Laut jüngstem Datenupdate des Kiel Trade Indicator für März dürfte der Welthandel im Vergleich zum Vormonat deutlich um 2,8 Prozent zurückgehen (preis- und saisonbereinigt). Der für Februar prognostizierte Einbruch verschiebt sich in den März.
Für fast alle Volkswirtschaften sind die Vorzeichen des Kiel Trade Indicator für den Märzhandel negativ. In Deutschland dürften die Exporte im Vergleich zum Februar um 3,7 Prozent sinken, die Importe um 3,2 Prozent. Auch für die EU zeichnen sich Rückgänge bei Exporten (-5,6 Prozent) und Importen (-3,4 Prozent) ab. In den USA dürften die Exporte mit -3,4 Prozent stärker fallen als die Importe mit -0,6 Prozent.
Für Russland weist der Kiel Trade Indicator einen weiter fallenden Handel aus (Exporte: -5,0 Prozent; Importe: -9,7 Prozent). An den drei größten Häfen Russlands, St. Petersburg, Wladiwostok und Novorossiysk, ist der Containerfrachtverkehr bereits um die Hälfte eingebrochen.
„Die Sanktionen des Westens zeigen ganz offenbar Wirkung, und die russische Bevölkerung sieht sich einem immer knapper werdenden Warenangebot gegenüber. Europas Unternehmen und Reedereien schränken offensichtlich den Transport über den Seeweg ein. Gleiches dürfte für den Handel über den wichtigeren Straßenverkehr gelten, was den starken Rückgang bei Russlands Importen erklärt“, so Stamer.
Die Ukraine ist praktisch vom internationalen Seehandel abgeschnitten. Den wichtigsten Hafen des Landes, Odessa am Schwarzen Meer, hat seit Kriegsausbruch kein großes Containerschiff mehr angelaufen.
Für China stehen die Signale auf Stagnation, mit schwarzer Null bei den Importen (+0,9 Prozent) und roter Null bei den Exporten (-0,9 Prozent). „Der Lockdown der Metropolregion Shanghai, wo vor allem Elektronikartikel für den Export produziert werden, schlägt sich noch nicht klar in den Handelszahlen für März nieder. Wohl auch, weil der Hafen dort weiterhin betrieben wird“, so Stamer.
„Künftige Verwerfungen in Chinas Handel sind damit aber keineswegs vom Tisch, auch weil die Omikron-Variante des Corona-Virus nach wie vor grassiert. Besorgniserregend ist zudem der deutliche Anstieg der weltweiten Containerschiffstaus, der auch auf Lockdowns in China zurückgeführt werden kann.“
Derzeit stecken etwa 12 Prozent aller weltweit verschifften Waren fest – im vergangenen Jahr lag der Wert nur in zwei Monaten höher.
Die nächsten Aktualisierungen des Kiel Trade Indicator erfolgen am 20. April (ohne Medieninformation) und am 5. Mai (mit Medieninformation für die Handelsdaten im April 2022).
Weitere Informationen zum Kiel Trade Indicator und die Prognosen für alle 75 Länder finden Sie auf www.ifw-kiel.de/tradeindicator.
Der Kiel Trade Indicator schätzt die Handelsflüsse (Im- und Exporte) von 75 Ländern und Regionen weltweit sowie des Welthandels insgesamt. Im Einzelnen umfassen die Schätzungen über 50 Länder sowie Regionen wie die EU, Subsahara-Afrika, Nordafrika, den Mittleren Osten oder Schwellenländer Asiens. Grundlage ist die Auswertung von Schiffsbewegungsdaten in Echtzeit. Ein am IfW Kiel programmierter Algorithmus wertet diese unter Zuhilfenahme von künstlicher Intelligenz aus und übersetzt die Schiffsbewegungen in reale, saisonbereinigte Wachstumswerte gegenüber dem Vormonat.
Die Auswertung erfolgt zweimal im Monat. Um den 20. (mit Pressemeldung) für den laufenden und den folgenden Monat und um den 3. (ohne Pressemeldung) für den vergangenen und den laufenden Monat.
An- und ablegende Schiffe werden dabei für 500 Häfen weltweit erfasst. Zusätzlich werden Schiffsbewegungen in 100 Seeregionen analysiert und die effektive Auslastung der Containerschiffe anhand des Tiefgangs gemessen. Mittels Länder-Hafen-Korrelationen können Prognosen erstellt werden, auch für Länder ohne eigenen Tiefseehafen.
Der Kiel Trade Indicator ist im Vergleich zu den bisherigen Frühindikatoren für den Handel deutlich früher verfügbar, deutlich umfassender, stützt sich mit Hilfe von Big Data auf eine bislang einzigartig große Datenbasis und weist einen im Vergleich geringen statistischen Fehler aus. Der Algorithmus des Kiel Trade Indikators lernt mit zunehmender Datenverfügbarkeit dazu (machine learning), so dass sich die Prognosegüte im Lauf der Zeit weiter erhöht.
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