Die rohstoffgewinnende Industrie steht aber mindestens vor genauso großen Herausforderungen, denn sie hat einerseits im öffentlichen Interesse mineralische Rohstoffe zu gewinnen und andererseits den CO₂ Ausstoß zu reduzieren. Sie befindet sich inmitten eines großen Transformationsprozesses. Massive Investitionen, um diese kapitalintensive Industrie und ihre Unternehmen zukunftsfähig auszurichten, sind erforderlich. Die Rahmenbedingungen hierfür sind jedoch zunehmend schwierig und bringen viele Unternehmen in Bedrängnis.
Erstens: Sicherung von Erweiterungsflächen
Bevor Betriebe heimische mineralische Rohstoffe gewinnen können, müssen geeignete Flächen gesichert, genehmigt und erworben werden. Das Problem: Einige Planungsgrundlagen im Land stammen noch aus der Zeit um die Jahrtausendwende, wie zum Beispiel der Regionalplan Donau-Iller. Sie müssen dringend dem aktuellen Rohstoffbedarf der Gesellschaft angepasst werden. Die Suche, Bewertung und Festlegung geeigneter Flächen sowie die Abwägung mit anderen Nutzungen dauert jedoch häufig zehn Jahre und mehr. Die Pläne sind damit kaum flexibel und bieten den Unternehmen angesichts der dringend erforderlichen Investitionen zu wenig Planungssicherheit.
So wurde in der Region Donau-Iller der Aufstellungsbeschluss für die Fortschreibung des Regionalplans im November 2007 gefasst und ein erster Entwurf im Juli 2019 vorgestellt. Derzeit werden die eingegangenen Stellungnahmen ausgewertet und ein zweiter Entwurf könnte Ende 2022 vorliegen. Angesichts regelmäßiger Verzögerungen sind der Beschluss und die Genehmigung nicht absehbar. Das ist ein unkalkulierbarer Zustand für die von der Schließung bedrohten Gewinnungsstätten – und leider kein Einzelfall in Baden-Württemberg. Planungsprozesse dauern oft genauso lange wie der darin für die Gewinnung veranschlagte Rohstoff.
Zweitens: Umfassende und komplexe Genehmigungsverfahren
Im nächsten Schritt sind umfassende Genehmigungsverfahren samt Gutachten für die geplanten Gewinnungsflächen erforderlich. Der Umfang und die Tiefe dieser Untersuchungen sind kaum noch leistbar bzw. nachvollziehbar. Beispielsweise werden für die Genehmigung einer Gewinnungsstätte für den dortigen Wildtierkorridor Untersuchungen und Maßnahmen gefordert, obwohl keine erhebliche Beeinträchtigung dieses Korridors durch den Neuaufschluss und die Verlegung eines Feldwegs zu erwarten sind. Hinzu kommt die Dauer mit ebenfalls regelmäßig über drei Jahren, Genehmigungsprozesse mit einer Dauer von zehn Jahren und mehr kommen aber auch vor.
Daneben werden die Gesetzgebung und Planungspolitik restriktiver und teilweise repressiv. Das führt zu einem kontinuierlichen Rückgang von Gewinnungsstätten. Neuaufschlüsse als langfristige Perspektiven werden hingegen selten genehmigt. Darunter leidet auch die Versorgung mit den Baustoffen auf kurzen Wegen – ein bisher großer Vorteil der Industrie. Die Folge sind höhere Verkehrsbelastung und Emissionen, steigende Transportkosten und somit höhere Kosten für zum Beispiel den Wohnungsbau oder für Energiewendeprojekte.
Drittens: Erwerb von Gewinnungsflächen
Schließlich werden geeignete Flächen angesichts zunehmender Schutzgebietsausweisungen und kleinteiliger Ausgleichsmaßnahmen für die Steine-Erden-Industrie aber auch für die Landwirtschaft knapper, schwieriger zu erwerben und teuer, da sich die Fläche nicht vermehrt. Demgegenüber können rekultivierte Gewinnungsstätten vielfältig nachgenutzt werden, zum Beispiel für besondere Freizeitnutzungen, als Hotspot für selten gewordene Tiere und Pflanzen oder auch für erneuerbare Energien.
Gewinnung und Aufbereitung der Rohstoffe
Spezialisierte Fahrzeug-, Maschinen- und Anlagentechnik ist unerlässlich, um Rohstoffe zu gewinnen und aufzubereiten. Gerade dieser Bereich ist auf funktionierende Lieferketten bei neuen Komponenten, Ersatzteilen und Betriebsstoffen angewiesen, die derzeit unterbrochen sind oder ungekannte Lieferzeiten haben. Teilweise kann der Betrieb lediglich sichergestellt werden, wenn zum Beispiel Ersatz- oder Verschleißteile längerfristig bevorratet wurden – eine Praxis, die bis vor kurzem noch der Vergangenheit angehörte.
Zudem investiert die Industrie in neue Anlagentechnik und Fahrzeuge, um die ständig steigenden Anforderungen beispielsweise an die Luftreinhaltung zu erfüllen. Ebenso erfolgt die Rohstoffgewinnung möglichst ressourceneffizient, um Eingriffe in die Umwelt zu minimieren, wettbewerbsfähig zu bleiben und die Akzeptanz in den Standortgemeinden zu erhalten. Das alles bedingt aber zunächst sehr hohe Investitionen.
Ohne Steine kein Wohnungsbau und keine Energiewende
Die Produkte der Steine-Erden-Industrie sind unverzichtbare Grundlage für den Infrastruktur-, Wohnungs- und Gewerbebau. Die Energiewende, Wohnungsbauoffensive und der Erhalt und Ausbau der Verkehrswege werden den Bedarf an mineralischen Rohstoffen mittel- und langfristig hochhalten. Zur Veranschaulichung: Das 2%-Flächenziel des Landes für erneuerbare Energien entspricht dem gesamten Siedlungs- und Verkehrsflächenzuwachs der vergangenen 25 Jahre. Die Bereitstellung der Baustoffe sollte mit einer möglichst emissionsarmen Produktion und kurzen Transportwegen erfolgen. Die Industrie steht daher inmitten gewaltiger Herausforderungen. Die Politik ist aufgerufen, eine verantwortungsvolle Standortpolitik zu betreiben, Planungs- und Genehmigungsverfahren massiv zu beschleunigen, Steuer- und Abgabenlast zu senken sowie die Rahmenbedingungen für regenerative Energieerzeugung bereitzustellen, um die Industrie zu unterstützen.
Ein „Weiter so“ gefährdet den Fortbestand der Branche in ihrer heutigen, überwiegend mittelständisch geprägten Struktur – und in der Folge die Versorgungssicherheit des Landes mit mineralischen Baurohstoffen.
Es sollte als Chance gesehen werden, heimische Lagerstätten – mineralische Rohstoffe und Energierohstoffe – zu nutzen, Wertschöpfung im Land zu halten und eine kleinräumige, emissionsarme und sichere Versorgung „von nebenan“ zu unterstützen. Gerade die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig funktionierende Lieferketten und Versorgungssicherheit ist. „Die Vorteile einer regionalen Wirtschaft müssen der Politik und der Öffentlichkeit wieder stärker ins Bewusstsein rücken“ so Thomas Beißwenger, Hauptgeschäftsführer des ISTE. Der Verband setzt sich daher dafür ein, gewachsene Betriebsstrukturen durch wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen zu erhalten und weiterzuentwickeln, denn kurze Transportwege bedeuten weniger Verkehrsbelastung, reduzieren CO2-Ausstoß, geringere Kosten und vor allem Versorgungssicherheit.
Die Steine- und Erden-Industrie in Baden-Württemberg – www.iste.de
In Baden-Württemberg gibt es rund 500 Unternehmen, die mineralische Rohstoffe gewinnen, weiterverarbeiten oder gebrauchte mineralische Rohstoffe recyceln. Insgesamt geschieht dies in rund 800 Werken mit 15.000 Beschäftigten. Diese Branche erwirtschaftet einen Gesamtumsatz von rund 5 Milliarden Euro pro Jahr im Land.
Pro Einwohner und Jahr müssen rund 10 Tonnen Material der Erde entnommen werden, damit Häuser, Bürogebäude, Straßen, Bahnlinien und Radwege gebaut werden können. Insgesamt werden so jährlich 100 Millionen Tonnen mineralische Rohstoffe gewonnen und benötigt. Ziemlich genau entspricht das einem Kilogramm mineralische Rohstoffe pro Einwohner und Stunde. Gebrauchte Baustoffe werden durch Baustoffrecycling im Kreislauf gehalten. So wird bereits heute ca. 90 Prozent des Bauschuttes und Straßenaufbruchs recycelt.
Der ISTE wurde bereits sechs Jahre vor dem Land Baden-Württemberg im März 1946 als "Fachverband Steine und Erden Württemberg und Baden e.V." gegründet. Seitdem hat er sich zu einem modernen, dienstleistungsorientierten Wirtschafts- und Arbeitgeberverband entwickelt.
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