Keine Überraschungen
Das verwundere nicht, da sich in der Regierungskoalition nur wenige ideologische Überschneidungen fänden und die Kompromissbildung sozusagen zur Grundvoraussetzung für politische Entscheidungen werde. „Wenn in endlosen Debatten nach Kompromissen gerungen wird, dann ist es gut möglich, dass auch weiterhin wichtige Initiativen verwässert werden“, so Grüner. In erster Linie bedeute dies, dass die neue Regierung keinen komplett neuen Kurs einschlage, sondern sich in politischen Pattsituationen wiederfinden werde. Für viele Wähler, die sich aus dem Wahlkampf heraus viel erhofft hätten, stelle diese erzwungene Mäßigung eine Enttäuschung dar. Für den deutschen Aktienmarkt sei die Aussicht auf eine gemäßigte Unsicherheit jedoch positiv, dieser könnte weiterhin vom geringen legislativen Risiko profitieren.
Die ersten Kompromisse
Christian Lindner wird das Amt des Finanzministers übernehmen, Annalena Baerbock wird Außenministerin, ihr Parteikollege Robert Habeck erhält das „Superministerium“ für Klima und Wirtschaft. „Was die Politik betrifft, so wird die Eindämmung von COVID in nächster Zeit wahrscheinlich alles dominieren,“ analysiert Grüner.“ „Das bedeutet viel Arbeit für den neuen Gesundheitsminister Karl Lauterbach.“ Zu den bereits geschlossenen Kompromissen gehöre die Einhaltung der verfassungsmäßigen Schuldenbremse auf Drängen der FDP, welche den Spielraum für eine Erhöhung der Ausgaben einschränke – was möglicherweise die Pläne zur Erhöhung der Infrastruktur- und Verteidigungsausgaben gefährden könnte. Ebenso werde der Ausgabenspielraum auch dadurch eingeschränkt, dass Steuererhöhungen vermieden werden sollen. „Es würde uns also nicht überraschen, wenn der Streit um die Ausgaben die Spaltung der Koalition vertieft und die politische Pattsituation weiter gefestigt wird,“ erläutert Grüner.
Auch die Energiepläne könnten demnach zu Spannungen führen. Der Koalitionsvertrag enthalte die Zusage, den Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030, statt bis 2038 zu beschleunigen, was ein großer Erfolg für die Grünen sei. „Auch wenn es vielleicht etwas seltsam ist, inmitten einer Energiekrise ein solches Versprechen zu geben,“ meint Grüner. „Insgesamt schätzen wir die Bemühungen der neuen Regierung allerdings nicht als grundlegenden Kurswechsel im Vergleich zur Großen Koalition unter Merkel ein.“ Viel eher sei eine gewisse Kontinuität zu beobachten, in Bezug auf innerparteiliche Differenzen und strukturelle Uneinigkeit innerhalb der Regierungskoalition.
Fazit
„Der Ampel-Koalition wird es nicht gelingen, die politische Pattsituation in Deutschland aufzulösen“, sagt Grüner. Eher im Gegenteil: Die ausgeglichene politische Landschaft mit einer starken Opposition und hohem Potenzial für Uneinigkeit innerhalb der Regierung erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass aus dem „frischen Wind“ ein „laues Lüftchen“ wird. Tendenziell würden große Veränderungen, die Aussicht auf substanzielle Umverteilungen und sonstige politische Unsicherheiten von den Märkten negativ aufgenommen. Somit sei der politische Stillstand am Ende positiv für den deutschen Aktienmarkt.
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