„Die deutliche Zunahme der Wirtschaftsleistung im dritten Quartal kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Folgen der Corona-Krise immer noch auf der deutschen Wirtschaft lasten. Zum Plus von 1,8 Prozent in den Sommermonaten haben vor allem konsumnahe Dienstleistungen beigetragen. In der Industrie dürfte die Wertschöpfung angesichts massiver Lieferengpässe bei Vorprodukten abermals deutlich nachgegeben haben und nunmehr etwa 9 Prozent unter dem Vorkrisenniveau liegen (verglichen mit einem Rückstand von 1,1 Prozent in der Gesamtwirtschaft). Trotz der merklichen Aufwärtsrevision für das erste Halbjahr produziert die deutsche Wirtschaft insgesamt noch immer beträchtlich unter ihren Möglichkeiten.
Nach dem Zwischenspurt der Konjunktur in den beiden zurückliegenden Quartalen zeichnet sich für das Winterhalbjahr eine ruhigere Gangart ab. Von der Industrie sind weiterhin keine klaren Expansionsimpulse zu erwarten, weil die Engpässe die Produktion nach wie vor behindern. Zudem dürfte die Pandemie auch den Dienstleistern weiter zu schaffen machen, was einer vollständigen Normalisierung im Wege steht. Gleichwohl sind die konjunkturellen Auftriebskräfte weiter intakt. Den Unternehmen fehlt nicht die Nachfrage, sondern sie können ihre Produktion nicht ausreichend hochfahren. So dürfte allein in der Industrie im laufenden Jahr Wertschöpfung von über 40 Mrd. Euro infolge der Lieferengpässe ausgefallen sein. Die extrem hohen Auftragspolster dürften dann für kräftigen Auftrieb im kommenden Jahr sorgen, sobald die Produktion wieder ungehinderter laufen kann. Zugleich hat sich bei den privaten Haushalten während der Pandemiezeit Kaufkraft von rund 200 Mrd. Euro aufgestaut. Für die Wirtschaftspolitik ist damit die Botschaft klar: Es bedarf keiner konjunkturstimulierenden Maßnahmen. Diese würden nur die ohnehin starke Preisentwicklung weiter anheizen.
Mit dem leicht aufgehellten Bild für das erste Halbjahr und dem wie erwartet ausgefallenen Expansionstempo im dritten Quartal zeichnet sich für das Jahresergebnis eine um wenige Zehntel höhere Zuwachsrate ab, als von den Instituten in ihrem Herbstgutachten der Gemeinschaftsdiagnose vorhergesehen wurde. Eine drei vor dem Komma kommt aber dadurch nicht in Sicht.“
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