Das Beschränken der Klimabilanz auf das eigene Territorium ist zwischen den Staaten international vereinbart worden und mache durchaus Sinn, meint Schmidt: „Trotzdem verursachen wir Emissionen an anderer Stelle der Welt durch den Verbrauch von Gütern, die wo anders gewonnen oder hergestellt werden. Wenn wir nun klimapolitische Maßnahmen nur anhand der nationalen Emissionen bewerten, leisten wir für das globale Klima möglicherweise einen Bärendienst.“
Mario Schmidt zeigt dies illustrativ an zwei Beispielen auf: „Der Verzicht auf das südamerikanische Rindersteak bringt den Klimazielen der Bundesregierung überhaupt nichts, trotzdem ist es für das globale Klima sinnvoll. Umgekehrt wäre eine Verlagerung der chemischen Industrie ins Ausland aus deutscher Sicht sinnvoll, man könnte so 40 Millionen Tonnen CO2-Emissionen auf deutschem Gebiet einsparen – aber global wäre es eine Katastrophe, weil die Produktion der gleichen Menge an Chemikalien in China doppelt so viel Treibhausgase verursachen würde.“
So verursache die Produktion von einem Dutzend der wichtigsten Chemikalien in Deutschland etwa 28 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Würde die gleiche Menge in China produziert werden, lägen die Emissionen bei 56 Millionen Tonnen CO2, so die Berechnungen der Wissenschaftler. Das Ziel müsse es sein, die Produktion in Deutschland klimafreundlicher zu gestalten und beim Import auf klimafreundlich produzierte Güter zu achten.
„Wir müssen bei den Maßnahmen, die wir nun im Klimaschutz angehen, stets die globale Bilanz im Auge haben. Der Beitrag von Rohstoffen und Gütern muss beim Klimaschutz mitgedacht werden. Das ist klimapolitisch und auch industriepolitisch sinnvoll,“ schlussfolgert Schmidt, der das Institut für Industrial Ecology (INEC) leitet und die Analysen zusammen mit der Beratungsfirma Systain aus Hamburg und dem Thinktank Industrielle Ressourcenstrategien am Karlsruhe Institut für Technologie (KIT) erstellt hat. Die Analysen basieren volkswirtschaftlichen Modellen, so genannten Input-Output-Analysen, bei denen die Emissionen der Lieferketten zurückverfolgt werden.
Zur Person:
Prof. Dr. Mario Schmidt ist Physiker und Umweltwissenschaftler und leitet das Institut für Industrial Ecology an der Hochschule Pforzheim. Er ist Mitglied im baden-württembergischen Nachhaltigkeits-beirat, in der Ressourcenkommission des Umweltbundesamtes und in diversen Richtlinien- und Normausschüssen von DIN, ISO und VDI.
Aktuelle Veröffentlichung in der Fachzeitschrift „Chemie Ingenieur Technik“ Volume 93, Issue 11 p. 1692-1706: http://dx.doi.org/10.1002/cite.202100126
Die Hochschule Pforzheim mit ihren drei Fakultäten – Gestaltung, Technik sowie Wirtschaft und Recht – genießt einen erstklassigen Ruf. Die Fakultäten verbinden Kreativität mit betriebswirtschaftlicher Ausbildung und technischer Präzision. Diese Kombination macht die Hochschule auch zu einem attraktiven Wissenschafts- und Forschungspartner für die regionale und überregionale Wirtschaft. Mit rund 6.200 Studierenden ist Pforzheim eine der größten Hochschulen für Angewandte Wissenschaften des Landes Baden-Württemberg.
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