Lektion gelernt? Lehren aus der Pandemie –darum ging es in diesem Jahr bei wvib im Dialog in der Aula der Universität Freiburg. Gemeinsam mit dem prominent besetzten Podium wurden die drängenden Fragen um Lehren aus der Pandemie diskutiert: Was lief gut, was nicht? Wo muss, wo sollte sich etwas ändern?

Der Ex-Wirtschaftsweise und Direktor des Walter Eucken Instituts Lars Feld stellte gleich zu Beginn heraus: Im Grunde sei Deutschland sowohl wirtschaftlich wie gesundheitlich glimpflich durch die Krise gekommen. Dennoch müsse man manches diskutieren. Zu Beginn der Krise seien die politischen Reaktionen aus volkswirtschaftlicher Sicht durchaus angemessen gewesen. Die Novemberhilfen für das Gastgewerbe seien jedoch „massiv überzahlt“ gewesen, so Feld. Defizite in den Strukturen müsse man sich jetzt ansehen: Etwa die Digitalisierung im öffentlichen Dienst und der Verwaltung, speziell auch in der Bildung und im Gesundheitswesen. Am Geld, so Feld, mangele es hier nicht. Schließlich stelle der Bund große Mengen an Mitteln bereit, die aber gar nicht abgerufen würden.

„Wissenschaftler liefern Argumente, keine Handlungsanweisungen“ – Gemäß dem Geist der Veranstaltung ging Feld dann auf die Frage der Übersetzung von Wissenschaft in Politik ein. Wissenschaft könne nur beraten; entscheiden müssten andere, denn: „Entscheidungen berühren immer Verteilungsinteressen. Diese müssen im demokratischen Prozess abgestimmt und rechtsstaatlich geprüft werden.“

Boris Palmer, der als Oberbürgermeister in Tübingen schon früh das Modellprojekt „Öffnen mit Sicherheit“ angestoßen hatte, zog ein launiges Fazit zur Pandemiebürokratie: „Würde man uns mehr machen lassen, dann würde auch vieles besser laufen“, betonte er gleich zu Beginn und verwies auf ein „ethisches Desiderat zum Bürokratieabbau.“ Als Beispiel nannte Palmer die bundesweite Verteilung von FFP2-Masken an über 65-Jährige durch die Apotheken: „Der Aufwand zur Verteilung von FFP-Masken an über 65-Jährige hat den Wert einer Maske um das Zehnfache übertroffen. Wir warten drei Monate und verzehnfachen die Kosten – Halleluja, das ist Bürokratie in Deutschland!“ In einem Punkt widersprach Palmer dann auch Lars Feld. Denn nicht überall seien die Dinge glimpflich verlaufen: „Was wir der jungen Generation angetan haben, ist völlig inakzeptabel, völlig unverhältnismäßig“. Man hätte von Anfang an mit Tests den Schulbetrieb aufrechterhalten können. Dass dies nicht gelungen sei, ist Schuld der Bürokratie, so Palmer.

Schiefgelaufen ist für Palmer auch die generelle Risikobewertung und Risikodifferenzierung: „Bis fünfzig ist Corona, was die Todeswahrscheinlichkeit angeht, nicht gefährlicher als eine Influenza – nur da haben wir nie Lockdowns gemacht.“ Tests in Altersheimen kamen dagegen vielerorts zu spät – während man anderswo pauschal absperrte. „Es sind Entscheidungen getroffen worden, die bei korrekter Bewertung von Risiken so nie hätten getroffen werden dürfen.“

Armin Schuster, mitten in der Pandemie zum Präsidenten des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) ernannt, konnte praktische Einblicke geben. Schuster stellte die Frage, wie gut Bevölkerung, Politik und Verwaltung auf solche Krisen vorbereitet waren und sind. Deutschland sei ein krisenarmes Land. „Wir hatten immer wahnsinniges Glück – deswegen sind wir auch nicht darauf vorbereitet, überrascht zu werden.“ Außerdem warb Schuster für einen kooperativen Föderalismus. „Die schroffe Trennung zwischen Bund und Ländern passt nicht mehr zu den Krisen, die wir heute haben.“

Zum Schluss forderte Schuster verstärkt Expertise zur Krisenvorbereitung aufzubauen: „Wir müssen in Szenarien denken und analytisch werden. Wir brauchen eine nationale Resilienzstrategie.“

In der anschließenden Diskussion waren sich alle drei Beteiligten vor allem in einer Frage einig: Das größte Problem liege in einem unguten Zusammenspiel des Rechtssystems, der daraus resultierenden Bürokratie und einer Politik, die immer größere Schwierigkeiten hat, mit diesem Wirrwarr zurechtzukommen. Palmer fasste das Problem kurz zusammen: „Wir haben eine bürokratiesklerotische, risikoaversionsgetriebene Schuldkultur.“

Dennoch dürfe man die Stärken des Föderalismus nicht verkennen: Beim Blick nach Frankreich zeige sich, dass zentralisierte Systeme nicht effizienter auf Krisen reagieren würden. Mache ein zentrales System einen Fehler, dann machen diesen alle, so Lars Feld. Als Oberbürgermeister lag es natürlich an Boris Palmer, die Rolle der kommunalen Selbstverwaltung zu loben. Armin Schuster als Leiter einer Bundesbehörde legte den Fokus auf eine stärkere Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen.

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