Der stationäre Einzelhandel an Rhein und Sieg steht an einer Wegscheide. „Wenn wir die Attraktivität und Erreichbarkeit der Innenstädte nicht sicherstellen, werden viele inhabergeführte Geschäfte aufgeben“, blickte Tanja Kröber, Vizepräsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg, beim heutigen Pressegespräch besorgt in die Zukunft: „Zwar hat sich Situation durch die gelockerten Corona-Regeln und die steigenden Umsätze durch eine Rückkehr zum Normalbetrieb sowie durch Nachholkäufe entspannt, doch kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass etliche Einzelhändler immer noch um ihre Existenz kämpfen. Die Corona-bedingten Ausfälle, nicht abverkaufte Waren, aufgezehrte Kapitalreserven und Nachforderungen von Lieferanten und Vermietern haben die Betriebe an den Rand der Insolvenz gebracht; etliche Händler haben bereits aufgegeben oder werden es bald tun.“

Besonders dramatisch sei die Situation in den vom Unwetter und Hochwasser betroffenen Gebieten wir Rheinbach oder Swisttal. Die IHK fordert deshalb Fördermittel von Bund und Land für die Digitalisierung oder neue Geschäftsmodelle. IHK-Geschäftsführer Professor Dr. Stephan Wimmers nahm aber auch die Kommunen in die Pflicht: „Der Einzelhandel braucht Aufmerksamkeit durch Veranstaltungen und Anlässe zum Besuch. Hier müssen Städte und Kommunen den Gewerbetreibenden genehmigungsfreudig zur Seite stehen.“ Wimmers sprach sich für eine Stärkung des ÖPNV und des Fahrradverkehrs sowie die Schaffung von Park & Ride- sowie Park & Bike-Parkplätzen aus und zugleich gegen eine Ausgrenzung des Pkw aus. „Nur wenn die Alternativen zum Pkw attraktiv sind, wird der Umstieg gelingen. Wir brauchen bei der Verkehrsplanung und -lenkung dringend mehr regionale Zusammenarbeit.“

Kröber und Wimmers wiesen zugleich daraufhin, dass der Einzelhandel selbst gefordert sein. Kröber: „Der stationäre Einzelhandel muss sich ein Stück weit neu erfinden, will er nicht noch weiter Boden an den Online-Handel verlieren.“ So gehen Prognosen von einem bundesweiten Umsatz im Online-Handel von 85 Milliarden Euro in 2021 aus – 2020 waren es noch 72,8 Milliarden Euro. Dagegen ging der Einzelhandelsumsatz in NRW im ersten Quartal um 2,3 Prozent zurück. „Kommunen, Immobilienbesitzer, Einzelhandel, Gastronomie und weitere Interessenten müssen zusammenarbeiten und gemeinsame Wege für die Zukunft ihrer Innenstädte und Zentren finden“, so Wimmers: „Wir stellen einen Rückgang der inhabergeführten Einzelhandelsbetriebe fest. Ursächlich dafür sind ausbleibende Kunden, hohe Ladenmieten und nicht zuletzt die Tatsache, dass viele Betriebe keine Nachfolger mehr finden können. Innenstädte werden künftig einen neuen Mix an Nutzung haben, wobei der Einzelhandel teilweise durch Gastronomie, Büros und Wohnen ersetzt wird.“

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