„Lange lag die Inflation beharrlich unter dem Zielwert der Zentralbanken, inzwischen stehen wir jedoch an einem kritischen Punkt, an dem steigende Preise zum dominierenden Thema an den Finanzmärkten werden könnten. Die entscheidende Frage lautet: Ist dies ein vorübergehendes Phänomen? Oder müssen wir uns dauerhaft auf höhere Inflation einstellen? Derzeit sind die Lager gespalten. Die einen sind überzeugt, dass die Preise nur kurzfristig anziehen werden. Die anderen verweisen dagegen auf Wachstumsraten, Lohndruck, höhere Haushaltsausgaben, steigende Verbrauchernachfrage und Angebotsengpässe bei Rohstoffen und warnen vor der Möglichkeit einer strukturell höheren Inflation.

Am Ende ist ein struktureller Wandel nichts anderes als eine vorübergehende Veränderung, die Bestand hat. Wir halten es für unwahrscheinlich, dass die Inflation nur für ein paar Monate anzieht und dann schnell auf rund 2% zurückgeht. In den aktuellen Zahlen sehen wir eher den Beginn einer Entwicklung hin zu einer mittel- bis langfristigen Phase höherer Inflation bei weniger Wachstum (zumindest im Vergleich zu den aktuellen Konsensprognosen). Die US-Notenbank Fed hat nur wenig Spielraum für politische Fehler, zumal der Verlust der Kontrolle über die Zinskurve aktuell ein wachsendes Risiko darstellt.

Für Investoren könnten unserer Auffassung nach die folgenden Punkte wichtig sein:

Reduktion taktischer Risiken, moderate bis neutrale Ausrichtung

Die Märkte sind in eine unsichere und riskantere Phase eingetreten, die Volatilität (Kursschwankungen) steigt und die Korrelation (Gleichlauf) zwischen Aktien und Anleihen dreht ins Plus. Daher könnten unserer Meinung nach eine tendenziell vorsichtige Ausrichtung und gegebenenfalls auch Gewinnmitnahmen aus risikobehafteten Positionen Sinn ergeben. Aus strategischer Sicht könnte ein gewisser Aktien-Anteil vor dem Hintergrund steigender Inflation und Inflationsvolatilität durchaus angebracht sein.

Bei Aktien sollten sich Anleger – wie wir meinen – gegen das Platzen der Tech-Blase absichern, also bei zinssensiblen Werten vorsichtig sein und stattdessen in dividendenstarke und sachwertbezogene Aktien investieren. In absoluten Zahlen dürften sich Aktien gut entwickeln, solange die Inflation nicht aus ihrer aktuellen Bandbreite ausbricht. Die risikobereinigte Wertentwicklung eines Mischportfolios könnte jedoch durch die Veränderungen der Korrelation zwischen Aktien und Anleihen (die ins Plus dreht) unter Druck kommen.

Aktien: Mischstrategie mit zyklischen Value-Aktien und defensiven Werten

Bei einer möglichen taktischen Umstellung ihrer Aktienposition könnten Anleger aus unserer Sicht zyklische und Value-Aktien (wertorientierte Aktien) gegenüber Growth-Werten (wachstumsorientierte Aktien) übergewichten und ihr Portfolio durch defensive Positionen diversifizieren. Wie wir bereits erwähnt haben, erwarten wir an den Märkten eine Pause; daher sehen wir auch in zyklischeren Märkten wie den Schwellenländern und Europa eine neutrale Aktienausrichtung als vorteilhaft. Eine solche Pause würde wohl vor allem die Bereinigung exzessiver Bewertungen und die Rotation von Growth- in Value-Aktien beschleunigen.

Anleihen: Kurze, aktive Duration

Anleger könnten etwa auf bessere Einstiegskurse warten, ihre Duration – durchschnittliche Kapitalbindungsdauer, ein Maß für die Zinssensitivität – insbesondere bei US-Investments reduzieren und dynamisch anpassen, da sich durch Ausschläge nach oben und unten Kaufgelegenheiten ergeben könnten. Der Kurs der nächsten Jahre ist klar erkennbar: Die Zinsen dürften steigen, wenn auch nicht ohne Unterbrechungen. Daher sollten sich Anleiheinvestoren nach unserer Auffassung an der Zinskurve orientieren. Wir erwarten weiterhin einen Anstieg der US-Zinskurve und attraktive Kurse bei Anleihen mit höherer Verzinsung und kurzer Duration (Hochzins- und Schwellenländer-Anleihen).

Schwellenländer: Kurzfristige Risiken, China und Asien im Fokus

Auch die Schwellenländer dürften durch steigende Renditen unter Druck kommen. Die Entwicklung des US-Dollar hängt im Wesentlichen von der Fed-Bilanz und der US-Haushaltspolitik ab, mittelfristig erwarten wir eine Abwertung. Kurzfristig drohen in den Schwellenländern jedoch noch immer Risiken durch den rückläufigen Welthandel und steigende Inflation. Die Gewinner sollten China und einige andere asiatische Länder sein, die sich vor allem über ihre Währung an relative Preisveränderungen anpassen können. Der Renminbi könnte zur „D-Mark“ Asiens avancieren. Wegen ihrer positiven Realrenditen werden Geldmarktinstrumente und Staatsanleihen in Renminbi in globalen Portfolios vermutlich als Wertanlage an Bedeutung gewinnen.

Die Märkte werden sich wahrscheinlich an Inflation gewöhnen müssen

Auf dem Weg zum Gipfel erreichen wir das Ende der ersten Phase, die durch erhebliche Rotationen gekennzeichnet war, und nähern uns der Hochphase. Für Anleger ist das nach unserer Auffassung immer noch vergleichsweise positiv, da die Inflation nicht das Wachstum gefährdet, sondern die Belebung der Wirtschaft unterstützt. Doch je länger diese zweite Phase andauert, desto höher ist das Risiko böser Überraschungen. In der nächsten Phase wird es darum gehen, was vom Höchststand übrig bleibt.

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