Neben dem menschlichen Aspekt hat diese Ungleichheit aber auch mikro- und makroökonomische Auswirkungen. Einkommensungleichheiten führen zu sozioökonomischen Ungleichgewichten innerhalb der Länder, die eine Bedrohung der Finanzstabilität und eine gesellschaftliche Destabilisierung mit sich bringen können. Moody’s schätzt, dass deshalb von der Gesamtverschuldung weltweit immerhin acht Billionen US-Dollar auf soziale Investitionen fallen – viermal mehr als gegen die Risiken des Klimawandels. Der Finanzierungsbedarf ist also enorm und wächst aufgrund der Coronakrise massiv; ein guter Zeitpunkt, um als privater Investor einzusteigen und sich aktiv damit auseinanderzusetzen, wie Unternehmen im Rahmen ihrer Geschäftsmodelle zur Linderung sozialer Not beitragen können.
Während die meisten Anleger die klimabedingten Risiken und Chancen schon längere Zeit im Blick haben, ist die Aufmerksamkeit für soziale Investments noch gering. Die Integration der sozialen zweiten Säule in der Abkürzung ESG (Environment, Social, Governance) halte ich/halten wir für sinnvoll, auch unter Diversifizierungsaspekten. Soziale Anleihen zielen darauf ab, bestimmte soziale Probleme abzuschwächen und nachweisbare Ergebnisse zu erzielen. Wie bei grünen Anleihen auch entspricht das Risiko-Rendite-Profil demjenigen klassischer Anleihen. Ein Vorteil: Im Gegensatz zu anderen Anleihen gibt es bei sozialen Projekten die Möglichkeit einer soliden Dialogplattform zwischen Unternehmensemittent und Anleger.
Der Bedarf und damit der Markt für Social Bonds boomen. Von den 1,28 Billionen US-Dollar, die 2020 in nachhaltige festverzinsliche Wertpapiere fließen, sind 14 %, also 180 Milliarden, als sozial eingestuft. Europa liegt hier klar vorn, mit mehr als 45 % der Neuemissionen in diesem Jahr. Beeindruckend ist auch die Steigerungsrate: Die Neuemissionen von Sozialanleihen liegen 2020 achtmal so hoch wie im letzten Jahr.
EU-Green-Bond-Standard wird sozial
Der neue Vorschlag für den EU-Green-Bond-Standard enthält nun auch eine soziale Dimension. Und die 2017 veröffentlichten Richtlinien für die Emission von sozialen Anleihen der International Capital Market Association (ICMA) wurde im Juni 2020 nochmal konkretisiert. Gemäß der Social Bond Principles, (SBP) werden Anleihen dann als sozial zertifiziert, wenn folgende Kriterien gewährleistet sind:
- Die Erträge müssen zur Finanzierung sozialer Projekte verwendet werden
- Das Verfahren zur Bewertung und Auswahl der Projekte muss klar und Investoren zugänglich sein
- Diese Prozesse müssen nachvollziehbar sein
- Die Emittenten müssen den Anlegern in einem Jahresbericht die Verwendung der Erträge darlegen
Außerdem definieren die SBP Kategorien förderungswürdige Sozialprojekte, zum Beispiel Basisinfrastruktur, Zugang zu grundlegenden Leistungen wie Bildung oder Gesundheit, Ernährungssicherheit oder Schaffung von Arbeitsplätzen, und legen die relevanten Zielgruppen fest, etwa Migranten, Arbeitslose, geschlechtsspezifische Minderheiten und andere, um den Emittenten eine gewisse Orientierungshilfe zu geben.
Auch die EU hat am 20. Oktober ihre erste Sozialanleihe mit einem Volumen von 17 Milliarden Euro begeben. Das Interesse der Anleger war groß; die Anleihe 13fach überzeichnet. Das Thema nimmt also deutlich an Fahrt auf. Corona war sicherlich ein Auslöser für den enormen Schub an sozialen Anleiheemissionen. Der Markt wird aber in jedem Fall weiter deutlich wachsen, denn der Finanzierungsbedarf, um die Not in der Welt zu lindern, steigt.“
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