"Die angesichts des Pandemieverlaufs gebotene Verlängerung des (Teil-)Lockdowns verlängert auch die Wirtschaftskrise und verzögert den Aufschwung. Statt immer weiterer Ad-hoc-Hilfsprogramme für Unternehmen, sollte die Politik lieber ihren Instrumentenkasten bereinigen und gezieltere Hilfen bereitstellen.
Das vierte Quartal 2020 wird im Vergleich zum dritten Quartal bestenfalls eine Stagnation des Bruttoinlandsproduktes bringen. Allerdings gibt es von Branche zu Branche extreme Unterschiede. Die Industrie kommt sehr viel besser durch den zweiten Lockdown als durch den ersten Lockdown im Frühjahr. Bei personenbezogenen Dienstleistungen, also in der Veranstaltungsbranche, der Gastronomie und der Touristik droht aber im November und Dezember ein weiterer massiver Einbruch. Der dürfte numerisch allerdings kleiner ausfallen als bislang, weil er auf einem bereits stark verminderten Niveau stattfindet. Die gute Nachricht: Nach dem Einbruch kann dann im Frühjahr, nach ersten Erfolgen bei der Bekämpfung der Pandemie etwa durch Impfungen, ein stärkerer Rückprall erfolgen, als vor dem zweiten Lockdown erwartet wurde.
Eine Verlängerung der Hilfsgelder ist nötig und auch finanzierbar. Richtig sind vor allem das Kurzarbeitergeld oder die Liquiditätshilfen durch die Förderbanken. Die Unternehmenshilfen müssen aber überarbeitet werden. Es braucht ein System, das auch für die nächste Welle oder Krise trägt. Die Hilfen sollten nicht am Umsatz festgemacht werden, das führt zu Fehlsteuerungen. Insbesondere die Staffelung der Hilfen nach bestimmten Schwellenwerten gibt Unternehmen einen Anreiz, die nächste Schwelle nicht um ein paar Euro zu reißen und dann in den Hilfen eine Stufe tiefer zu fallen. Die Orientierung am Umsatz hat außerdem ganz unterschiedliche Effekte in den einzelnen Branchen, weil die Kostenstrukturen sehr unterschiedlich sind, und ist am Ende zu teuer.
Wir schlagen am IfW Kiel vor, die Unternehmenshilfen an den sogenannten Betriebsüberschüssen auszurichten. Das sind die Umsätze abzüglich der variablen Kosten wie Wareneinsatz oder Personalkosten. Der Staat sollte sich bei der Erstattung aber pauschal an den durchschnittlichen Einbußen der gesamten Branche orientieren, nicht an den Einbußen des einzelnen Unternehmens, so dass Unternehmen Anreize behalten, Umsatzeinbrüche mit neuen Ideen zu kompensieren. Ein solches System reduziert das Risiko, dass nicht mehr marktfähige Zombiunternehmen entstehen, denn wer im Vorjahr keine Betriebsüberschüsse erzielte, wird auch keine Kompensation erhalten. Außerdem diskriminiert es nicht zwischen Fremd- und Eigenkapital, wie das bei den Überbrückungshilfen der Fall ist."
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