Das „Deutsche Artenschutzforschungsprojekt – Pardelluchs“ vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) wurde gestern als offizielles Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt ausgezeichnet. Die Würdigung nahm Frau Prof. Christine Wrenzycki von der Universität Gießen vor. Wrenzycki ist stellvertretende Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirates des Leibniz-IZW. Die Auszeichnung wird an vorbildliche Projekte verliehen, die sich in besonderer Weise für die Erhaltung der biologischen Vielfalt einsetzen.

Der ausschließlich auf der iberischen Halbinsel vorkommende Pardelluchs (Lynx pardinus; Temminck 1827), ein auf Wildkaninchen spezialisierter Beutegreifer, wurde auf der „Roten Liste“ der bedrohten Arten von der Weltnaturschutzorganisation IUCN 2002 als vom Aussterben bedroht eingestuft, als der Bestand unter 100 Individuen abzurutschen drohte, und galt deshalb lange als die bedrohteste Wildkatzenart weltweit. Zu ihrem Schutz wurde ein integrierter Artenschutzplan ins Leben gerufen, der vielfältige Schutzmaßnahmen im Freiland mit einem Zuchtprogramm in Gefangenschaft verbindet. Um die Freilandpopulation zu stabilisieren, werden die Jungtiere des Zuchtprogramms in verschiedenen Regionen Spaniens und Portugals ausgewildert. In den vergangenen 15 Jahren konnten so von 400 in menschlicher Obhut geborenen Jungtieren bereits 300 erfolgreich ausgewildert werden. Die Freilandpopulation wird derzeit auf fast 700 Tiere geschätzt, daher wurde der Schutzstatus auf „hoch bedroht“ herabgestuft – ein seltenes Ereignis für die Rote Liste der gefährdeten Arten und eine erfreuliche Nachricht für die biologische Vielfalt der Tierwelt auf der iberischen Halbinsel. Wissenschaftler*innen des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung sind seit 2005 Partner des Iberian Lynx Ex situ Conservation Programme, das die Zucht und die Auswilderung der Jungtiere betreibt.

„Unsere Forschung zur Reproduktionsbiologie und assistierten Fortpflanzung bei Luchsen unterstützte insbesondere den Pardelluchs, geht aber darüber hinaus – die Ergebnisse sind auch für den Umgang mit und den Schutz des Eurasischen Luchses in Zentraleuropa und Deutschland von großem Nutzen“, erklärt Prof. Katarina Jewgenow, Leiterin der Abteilung Reproduktionsbiologie am Leibniz-IZW. Die Wissenschaftler*innen des Leibniz-IZW führten regelmäßige Untersuchung der reproduktiven Gesundheit der Tiere in Gefangenschaft durch, was zur Entschlüsselung der besonderen Fortpflanzungsbiologie bei Luchsen führte. Darüber hinaus etablierten sie ein Verfahren zur sicheren Trächtigkeitsdiagnose, Einschätzung von Belastungszuständen („Stress“) mittels berührungsfreier Messung von Hormonen im Kot und Haaren, sowie der Geschlechtsbestimmung mithilfe von in Haaren abgelagerten Sexualhormonen. „Für den langfristigen Erhalt von allen Luchsarten etablierte unser Forschungsteam Verfahren zur assistierten Reproduktion, wie Spermien- und Embryonenkonservierung in flüssigem Stickstoff und Methoden der künstlichen Besamung. Längst werden die Erkenntnisse, die beim Pardelluchs gewonnen wurden, nicht nur beim Eurasischen Luchs, sondern auch bei anderen gefährdeten Katzenarten angewandt.“, betont Dr. Frank Göritz, leitender Tierarzt am Leibniz-IZW, Abteilung Reproduktionsmanagement. Neben der Fortpflanzungsbiologie befasst sich das Leibniz-IZW auch mit ökologischen, immunologischen und genetischen Aspekten des Eurasischen Luchses, um die Ausbreitung der charismatischen Katzen in Deutschland und Mitteleuropa wissenschaftlich zu begleiten.

Mit diesem Projekt wird ein deutliches Zeichen für das deutsche Engagement zur Erhaltung biologischer Vielfalt gesetzt. Die Forschungsaktivitäten des Leibniz-IZW zum Luchs haben die UN-Dekade-Fachjury nachhaltig beeindruckt. Neben der offiziellen Urkunde und einem Auszeichnungsschild erhält das Leibniz-IZW einen „Vielfalt-Baum“, der symbolisch für die Naturvielfalt steht. Ab sofort wird das Projekt auf der Webseite der UN-Dekade in Deutschland unter www.undekade-biologischevielfalt.de vorgestellt.

Die Vereinten Nationen haben den Zeitraum von 2011 bis 2020 als UN-Dekade Biologische Vielfalt ausgerufen, um dem weltweiten Rückgang der biologischen Vielfalt (abgekürzt als Biodiversität) entgegenzuwirken. Ein breit verankertes Bewusstsein in unserer Gesellschaft für den großen Wert der Biodiversität ist eine wichtige Voraussetzung. Die UN-Dekade Biologische Vielfalt in Deutschland lenkt mit der Auszeichnung vorbildlicher Projekte den Blick auf den Wert der biologischen Vielfalt und die Chancen, die sie uns bietet. Gleichzeitig zeigen diese Modellprojekte, wie konkrete Maßnahmen zum Erhalt biologischer Vielfalt, ihrer nachhaltigen Nutzung oder der Vermittlung ihres Wertes praktisch aussehen können.

Über die Auszeichnung von Projekten entscheidet eine unabhängige Fachjury, an der Vertreter*innen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen beteiligt sind. Die UN-Dekade Fachjury tagt zweimal im Jahr. Der Wettbewerb ist jetzt abgeschlossen. Informationen zur UN-Dekade finden Sie weiterhin online bei der Geschäftsstelle UN-Dekade Biologische Vielfalt unter www.undekade-biologischevielfalt.de.

Der Begriff Biodiversität als Synonym für biologische Vielfalt umfasst die Vielzahl der Tier- und Pflanzenarten sowie die Vielfalt der Mikroorganismen und Pilze. Einbezogen wird auch die genetische Vielfalt innerhalb der Arten, die sich bei Pflanzen in den verschiedenen Sorten wiederspiegelt und bei Tieren häufig als Unterarten oder Rassen bezeichnet wird. Dazu gehören auch die verschiedenen Lebensräume; komplexe ökologische Wechselwirkungen sind ebenfalls Teil der biologischen Vielfalt. Die Biodiversität ist Voraussetzung für das Funktionieren der Ökosysteme mit ihren zahlreichen und für den Menschen essenziellen Ökosystemleistungen.

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