„Passivhäuser sind entscheidend für den Klimaschutz – und für noch viel mehr“, erklärte Prof. Wolfgang Feist zur Eröffnung. Einerseits ermöglichten sie mit ihrem geringen Energiebedarf fürs Heizen und Kühlen eine vollständige Versorgung von Gebäu-den mit erneuerbarer Energie. Andererseits, so der Gründer des Passiv-haus Instituts, bieten Passivhäuser Vorteile für den Bautenschutz sowie die Wohngesundheit.
Gesund wohnen
Schimmel, unangenehmer Luftzug und schlechte Raumluft werden durch das Passivhaus-Konzept vermieden. Mit Blick auf die Covid-19-Pandemie erläuterte Feist: „Eine bessere Lüftung, wie sie in Passivhäusern genutzt wird, reduziert das Risiko einer Infektion gewaltig.“ Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung bleibe jedoch gerade in Gebäuden, die von vielen Menschen genutzt werden, unverzichtbar als Schutz gegen größere Tröpfchen, so Feist im Eröffnungsplenum.
GEG im Visier
Das neue GebäudeEnergieGesetz (GEG) nahmen sowohl der neue Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), Prof. Dirk Messner, als auch Jens Deutschendorf, Staatssekretär im Hessischen Wirtschaftsministerium ins Visier: Das GEG gebe keine zusätzlichen Impulse zum energieeffizienten Bauen. Die dringend notwendige Wärmewende sowie ein deutlicher Beitrag zum Klimaschutz werden dadurch nicht erreicht. „Die Empfehlung ist, besser zu bauen als es der gesetzliche Standard vorgibt und die Förderungen zu nutzen“, erklärte Deutschendorf.
Förderung für Energieeffizienz
Thorsten Herdan vom Bundeswirtschaftsministerium, Schirmherr der 24. Internationalen Passivhaustagung, verwies auf erhöhte Förderprogramme für Sanierungen. Alexander Bonde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), erläuterte die Unterstützung der DBU für energieeffiziente Gebäude, darunter die Forschung zum Passivhaus-Konzept für Hallenbäder. Auch das Bürogebäude der DBU-Tochtergesellschaft Naturerbe in Osnabrück sei ein Passivhaus, so Bonde.
„Es muss schnell gehen!“
Der Klimaforscher Prof. Stefan Rahmstorf verdeutlichte den Ernst der Lage. Die vermehrten Extremwetterereignisse, die u.a. Dürren, häufigere Waldbrände und Überschwemmungen bedeuteten, seien das Ergebnis der Erderwärmung. Nur eine Reduzierung der Emissionen auf Null könne den Klimawandel aufhalten. „Der Weltklimarat IPCC hat klar gemacht, dass es schnell gehen muss. Bis 2030 müssen die Emissionen schon um die Hälfte reduziert werden. Das Ziel ist sehr ehrgeizig“, so Rahmstorf.
Passivhaus zum Firmenjubiläum
Äußerst energieeffiziente Gebäude sind eine grundlegende Bedingung für erfolgreichen Klimaschutz. Bis zum 8. Oktober widmet sich die 24. Internationale Passivhaustagung daher in über 90 Vorträgen dem Thema. Vorgestellt werden u.a. nationale und internationale Neubauprojekte und Sanierungen. Dazu gehören ein nachhaltiges Geschenk zum Firmenjubiläum, ein neues Passivhaus-Autohaus samt Werkstatt in Kanada, sowie Sanierungsprojekte in Wien und Spanien.
Programm in dieser Woche
Jeweils mittwochs und donnerstags findet das Online-Programm der 24. Internationalen Passivhaustagung statt. An den ersten beiden Tagungstagen – Mittwoch, 23.09.2020 und Donnerstag, 24.09.2020 – geht es in den Vorträgen ab 9 Uhr um Nearly Zero Energy Buildings (NZEB), um Komponenten und Versorgungskonzepte sowie um Passivhäuser in China. Am späten Nachmittag werden Passivhaus-Quartiere und Passivhaus-Tools vorgestellt.
Herstellerforum am Mittwoch und Donnerstag
Auf der Passivhaus-Fachausstellung findet in dieser Woche am Mittwoch und Donnerstag jeweils ab Mittag das Herstellerforum statt. Dabei geben Mitarbeiter des Passivhaus Instituts kurze Einführungen in die Themen Luftdichtheit, Lüftung, Fenster, Sanierung und Dämmung. Parallel dazu beantworten Hersteller Fragen im Chat. Die Passivhaus-Fachausstellung, auf der in diesem Jahr 40 Aussteller ihre Komponenten für klimafreundliches Bauen präsentieren, kann auch ohne Tagungsticket besucht werden. Die kostenfreie Registrierung dazu erfolgt über https://passivehouseconference.expo-ip.com/
Workshop für Kommunen
Ein Workshop zum kostengünstigen und sozialen Wohnungsbau am Mittwoch, 7. Oktober 2020 ist speziell für Kommunen und Wohnbaugesellschaften interessant. Zweistündige Exkursionen zu unterschiedlichen Passivhaus-Projekten rund um den Globus stehen für den 1. und 7. Oktober 2020 im Programm. Alle Aufzeichnungen des Programms sind für die Teilnehmer im Anschluss einsehbar. Tickets für die Tagung, die über drei Wochen geht und am 8. Oktober 2020 endet, können weiterhin erworben werden.
Alle Informationen unter www.passivhaustagung.org
Passivhäuser
Beim Passivhaus-Konzept wird der für Gebäude typische Wärmeverlust durch Wände, Fenster und Dach drastisch reduziert. Durch die fünf Prinzipien – gute Dämmung, dreifach verglaste Fenster, Vermeidung von Wärmebrücken, luftdichte Gebäudehülle sowie Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung – benötigt ein Passivhaus nur sehr wenig Energie. Passivhäuser können daher auf ein klassisches Heizsystem verzichten. Passiv“ werden die Häuser genannt, da der größte Teil des Wärmebedarfs aus „passiven“ Quellen wie Sonneneinstrahlung sowie Abwärme von Personen und technischen Geräten gedeckt wird. In einem Passivhaus hält sich die Wärme 10 bis 14 Tage lang, da sie nur sehr langsam entweicht. Daher muss nur an sehr kalten Tagen aktiv geheizt werden. Insgesamt ist nur wenig Energie für die Bereitstellung dieser Restwärme vonnöten. Im Sommer (sowie in warmen Klimaten) ist ein Passivhaus ebenfalls im Vorteil: Dann bewirkt u.a. die gute Dämmung, dass die Hitze draußen bleibt. Eine aktive Kühlung ist daher in Wohngebäuden in der Regel nicht nötig. Durch die niedrigen Energiekosten sind die Nebenkosten kalkulierbar – eine Grundlage für bezahlbares Wohnen und sozialen Wohnungsbau. Ein Passivhaus verbraucht rund 90 Prozent weniger Heizwärme als ein bestehendes Gebäude und 75 Prozent weniger als ein durchschnittlicher Neubau.
Passivhaus und NZEB
Der Passivhaus-Standard erfüllt die Anforderungen der Europäischen Union an Nearly Zero Energy Buildings. Laut der Europäischen Gebäuderichtlinie EPBD müssen die Mitgliedstaaten die Anforderungen an so genannte Fast-Nullenergiehäuser (NZEB) in ihren nationalen Bauvorschriften festlegen. Die Richtlinie der EU ist seit Januar 2019 für öffentliche Gebäude in Kraft und gilt für alle anderen Gebäude ab dem Jahr 2021.
Pionierprojekt
Das weltweit erste Passivhaus errichteten vier private Bauherren, darunter Dr. Wolfgang Feist, vor über 28 Jahren in Darmstadt-Kranichstein. Die Reihenhäuser gelten seit dem Einzug der Familien 1991 als Pionierprojekt für den Passivhaus-Standard. Das Pionier-Passivhaus nutzt mit seiner neuen Photovoltaikanlage nun erneuerbare Energie und erhielt das Zertifikat zum Passivhaus Plus.
Passivhaus und erneuerbare Energie
Der Passivhaus-Standard lässt sich gut mit der Erzeugung erneuerbarer Energie direkt am Gebäude kombinieren. Seit April 2015 gibt es für dieses Versorgungskonzept die neuen Gebäudeklassen „Plus“ und „Premium“.
Passivhäuser Mittlerweile gibt es Passivhäuser für alle Nutzungsarten: Neben Wohn- und Bürogebäuden existieren auch Kitas und Schulen, Sporthallen, Schwimmbäder und Fabriken als Passivhäuser. In Frankfurt am Main entsteht gerade die weltweit erste Passivhaus-Klinik. Das Interesse steigt stetig. Mit Blick auf den Ressourcenverbrauch der Industrieländer sowie den Klimaschutz realisieren Kommunen, Unternehmen und Privatleute einen Neubau oder eine Sanierung zunehmend im Passivhaus-Standard.
Internationale Passivhaustagung
Die 24. Internationale Passivhaustagung findet vom 20. September bis 8. Oktober 2020 als Online-Veranstaltung statt. www.passivhaustagung.de
Das Passivhaus Institut mit Sitz in Darmstadt ist ein unabhängiges Forschungsinstitut zur hocheffizienten Nutzung von Energie bei Gebäuden. Das von Dr. Wolfgang Feist gegründete Institut belegt eine internationale Spitzen-position bei der Forschung und Entwicklung zum energieeffizienten Bauen. Dr. Wolfgang Feist erhielt unter anderem 2001 den DBU-Umweltpreis für die Entwicklung des Passivhaus-Konzepts.
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