Wir befinden uns in Waigandshain, mitten im Westerwald, in einer 1.400 Quadratmeter großen Halle. Warum repariert ABO Wind gerade hier Getriebe und andere Großkomponenten für Windenergieanlagen?
Tobias Graf: Der Standort der Halle ist ideal. Waigandshain liegt zentral in der Mitte Deutschlands und ist infrastrukturell gut angebunden. Im näheren Umfeld gibt es viele Windparks. Etliche davon erzeugen schon lange sauberen Strom und werden demnächst abgebaut oder repowert. Quasi um die Ecke schlummern also etliche Großkomponenten, die wir aufbereiten können.
Welche Komponenten bereitet ABO Wind denn auf?
Martin Höppner: Wir verfügen in unserer Montagehalle über mehrere Kräne. Der Große kann bis zu 68 Tonnen heben. Das ermöglicht die Reparatur und Generalüberholung aller Großkomponenten einer Windenergieanlage. Meistens geht es um Getriebe, wir bereiten aber auch komplette Triebstränge von der Rotorwelle bis zum Generator auf.
Lohnt es sich denn, solche Teile zu reparieren, anstatt einfach neue zu kaufen?
Graf: Auf jeden Fall. Nehmen wir zum Beispiel ein Getriebe der gängigen MD77-Plattform. Ein von uns professionell aufbereitetes Getriebe ist wesentlich günstiger als ein neues. Das ist für Betreiber schon sehr interessant – besonders wenn es sich um ältere Anlagen handelt, die vielleicht nach Ablauf der EEG-Vergütung weiter produzieren sollen. Da kommt es auf jeden Euro an.
Stichwort ältere Anlagen: Gibt es für diese zum Teil noch zuverlässig Strom produzierenden Altanlagen ausreichend neue Ersatzteile?
Graf: Das ist ein weiterer wichtiger Punkt, der für die Aufbereitung vorhandener Komponenten spricht: Manche Hersteller produzieren diese Komponenten nicht mehr in Serie. Das führt zu sehr langen Lieferzeiten. Man kann also nicht mal eben schnell ein neues Getriebe oder einen Generator kaufen. Wer seine Anlage trotzdem weiterbetreiben möchte, ist auf professionell aufbereitete Großkomponenten angewiesen. Die sind schneller verfügbar und günstiger als Neuteile.
Aber neue Teile haben im Gegensatz zu instand gesetzten doch sicherlich eine längere Gewährleistung?
Graf: In der Regel liegt die Gewährleistung bei neuen Komponenten bei ein bis zwei Jahren und bei reparierten bei einem Jahr. Sollte es für unseren Kunden wichtig sein, bieten wir in Absprache auch längere Gewährleistungszeiten an.
Wie lange dauert es denn, ein Getriebe wieder instand zu setzen?
Höppner: Das hängt von der Verfügbarkeit der notwendigen Ersatzteile ab. Durchschnittlich benötigen drei Monteure rund drei Wochen von der Demontage bis zur Fertigstellung einschließlich Probelauf.
Was geht denn schneller: das Auseinander- oder das Zusammenbauen?
Höppner: Für die Demontage und Dokumentation veranschlagen wir rund eine Woche. Für den Zusammenbau und Probelauf rund zwei Wochen. Dabei gilt es, größtmögliche Sorgfalt walten zu lassen. Denn die Komponenten sind sehr teuer. Bei Verzahn-Teilen kommen schnell mehrere tausend Euro Materialwert zusammen, da vieles spezialgefertigt ist.
Auf was muss man bei der Reparatur besonders achten?
Höppner: Absolute Sauberkeit ist wichtig. Wenn sich Partikel in die Lager setzen, führt das unweigerlich zu Schäden. Daher verbringen wir bei der Aufbereitung von Großkomponenten einen beträchtlichen Teil der Zeit mit Putzen und Reinigen.
Warum hat sich ABO Wind entschieden, Großkomponenten selbst aufzubereiten?
Graf: Wir tauschen ja bereits seit einigen Jahren Großkomponenten aus. Bislang haben wir dabei allerdings nur neue oder von Drittfirmen aufbereitete Teile einbauen können. Daher hatten unsere Kunden bei Gewährleistungsfällen, Rechnungsstellung und so weiter mit mehreren Anbietern zu tun. Seit der Anmietung der Halle in Waigandshain Ende 2019 bieten wir Service aus einer Hand. Wir tauschen das defekte Teil durch ein von uns aufbereitetes aus. Das ist günstig, schnell und spart Verwaltungsaufwand. Unsere Kunden haben nur noch einen Ansprechpartner und nicht drei oder vier.
Und was ist, wenn der Kunde lieber ein neues Teil hätte?
Graf: Das ist kein Problem. Wir besprechen mit all unseren Kunden individuell sämtliche Optionen und finden für jeden die passende Lösung.
Wie läuft die praktische Arbeit ab, wenn Großkomponenten defekt sind?
Höppner: Grundsätzlich gibt es zwei Optionen: Entweder setzen wir die Großkomponenten durch den Austausch beziehungsweise die Reparatur einzelner Teile auf dem Turm wieder instand. Dazu ist dann in der Regel kein Kran nötig.
Welche Option gibt es noch?
Höppner: Die andere Möglichkeit ist ein Komplettaustausch etwa von Getrieben mit Hilfe eines Krans. Dafür öffnen wir die obere Hälfte der Gondel. Das ist aufwendiger, weil der Kran auf- und wieder abgebaut werden muss. Deswegen tauscht man in einem solchen Fall das Getriebe direkt durch ein anderes aus. Es auszubauen, zur Reparatur in eine Halle zu transportieren, wieder zur Anlage zu fahren und erneut einzubauen, wäre aus vielerlei Gründen unsinnig: Die Anlage würde mindestens einen Monat stillstehen. In diesem Fall müsste der Kran zweimal auf- und abgebaut werden. Da entstünden neben dem Ertragsausfall erhebliche Mehrkosten.
Das heißt, Anbieter wie ABO Wind müssen immer reparierte oder neue Großkomponenten vorhalten, um sie bei Bedarf direkt einbauen zu können?
Graf: So ist es. Momentan lagern bei uns in Waigandshain zum Beispiel mehrere Getriebe, Rotorwellen und Generatoren der MD70/77-Baureihe, die wir bei Bedarf einbauen. Das minimiert die Stillstandzeit für den Betreiber erheblich und spart Geld.
Sind einige dieser Teile von Drittanbietern repariert worden?
Graf: Die Getriebe haben unsere Fachkräfte selbst aufbereitet, Generatoren lassen wir von einem Partnerunternehmen überprüfen. Das ist ein großes Plus für unsere Kunden. Wir beschäftigen viele fähige Servicetechniker, die nicht nur Windkraftanlagen warten, sondern auch Großkomponenten reparieren können. So gewährleisten wir höchste Qualität und Service für Windkraftanlagen aus einer Hand.
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