In der Corona-Krise haben die Kartellbehörden für Kooperationen zwischen Wettbewerbern Zustimmung signalisiert. In Zeiten der Krise kann es unter Umständen zulässig sein, dass Unternehmen "Produktion, Lagerhaltung und möglicherweise den Vertrieb abstimmen" so die Kommission. Der Präsident des Bundeskartellamts, Mundt, wie auch die EU-Kommissarin Vestager betonen, dass die Behörden offen für Gespräche sind.

Präsident Mundt sagte, dass sogar auch Kooperationen nach der Krise notwendig sein können, um die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu überwinden. Er warnte aber auch: "Wenn Unternehmen jetzt die Notlage ausnutzen würden, etwa durch Preisabsprachen zulasten der Verbraucher oder indem sie ihre Marktmacht missbrauchen, würden wir das konsequent verfolgen."

Zusammenarbeit in der Krise

Die Europäische Kommission hat am 8. April 2020 eine "Mitteilung über einen befristeten Rahmen für die Prüfung kartellrechtlicher Fragen der Zusammenarbeit von Unternehmen in durch den derzeitigen Coronavirusausbruch verursachten Notsituationen" veröffentlicht. Die Kommission erkennt an, dass Unternehmen / Wettbewerber möglicherweise zur Sicherstellung der Lieferketten kooperieren müssen. Besondere Bedeutung haben hier medizinische Produkte, aber nicht nur diese.

Die Kommission zählt auf, dass beispielsweise die folgenden Maßnahmen etwa durch einen Verband organisiert werden können:

  • Koordinierung des gemeinsamen Transports von Rohstoffen und Produkten von Zulieferern
  • Forecasts im Hinblick auf die Produktion, etwa welche Medizin knapp werden könnte
  • Sammlung und Auswertung von Informationen zu Produktionsvolumina und -kapazitäten (aber kein Austausch der Daten zwischen Unternehmen)
  • Planung des Bedarfs auf nationaler Ebene
  • Informationen zu Lieferausfällen und welche Unternehmen einspringen können (ohne Informationsaustausch mit Wettbewerbern)

Maßnahmen betreffend Produktion, Warenbestände und Vertrieb erfordern nach der Kommission möglicherweise den Austausch von wettbewerblich relevanten Informationen und eine gewisse Koordinierung. Sie können jedoch freigestellt sein, wenn es darum geht, die Lieferfähigkeit zu sichern, wenn sie vorübergehender Natur sind und Beschränkungen nicht über das unerlässliche Maß hinausgehen.

Der Präsident des Bundeskartellamts, Mundt, hat am 15. April 2020 zusätzlich darauf hingewiesen, dass gemeinsame Aktionen auch nach der Krise erforderlich sein können, "um die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu überwinden." "Soweit solche Maßnahmen aufgrund der gegenwärtigen Krise notwendig sind, sind sie – zeitlich begrenzt – auch kartellrechtlich unbedenklich."

Risikominimierung

Präsident Mundt betont, dass die Behörde seit Ausbruch der Epidemie bereits zahlreiche Gespräche mit Unternehmen zur Freistellung von Kooperationen unter Wettbewerbern geführt habe. Es ginge im Besonderen um Anfragen zur Kooperation bei Lagerhaltung und Umverteilung zwischen Unternehmen, um Lieferengpässe zu vermeiden.

Eine gewisse Rechtssicherheit können Unternehmen also durch Anfragen bei Kartellbehörden erreichen. Die Europäische Kommission unterstützt derzeit durch sog. Comfort Letters zur Freistellung konkreter Kooperationsvorhaben.

Praxishinweis

Kooperationen mit Wettbewerbern müssen auf kartellrechtliche Risiken überprüft werden. Die Kommission gibt in ihren Horizontal-Leitlinien eine gewisse Hilfestellung, etwa zu Einkaufs- oder Vermarktungskooperationen. Wenn nach Anwendung dieser Maßstäbe Unsicherheiten verbleiben oder Unternehmen besondere Kooperationen vor dem Hintergrund der Corona-Krise eingehen möchten, dann können die Unternehmen die Kartellbehörden ansprechen. Der Präsident des BKartA hat sich dafür offen gezeigt. Die Kommission erteilt für spezifische Kooperationsvorhaben mit europäischer Reichweite derzeit sog. "Comfort Letters", also eine formelle Bestätigung, dass das Vorhaben wettbewerbskonform ist. Die Kommission rät in dem Zusammenhang, die Kommunikation mit Wettbewerbern gut zu dokumentieren.

Vorsicht ist geboten: Die Kartellbehörden warnen derzeit verstärkt vor Kartellrechtsverstößen in der Krise. Sie haben angekündigt, Unternehmen aktiv zu verfolgen, die die derzeitige Situation ausnutzen und durch wettbewerbswidrige Vereinbarungen oder den Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung gegen das EU-Kartellrecht verstoßen.

Ein Erfahrungsaustausch kann – gerade vor dem Hintergrund dieser außergewöhnlichen Situation – für Unternehmen hilfreich sein. Im Rahmen der eigenen Compliance Arbeit sollten Unternehmen aber überprüfen, ob etwa ein Erfahrungsaustausch bilateral oder im Verband die kartellrechtlichen Grenzen einhält. Besondere Vorsicht ist geboten, bei der Abstimmung von Maßnahmen wie dem Zurückfahren der Produktion oder dem Schließen von Vertriebswegen.

Links

Bundeskartellamt: Durchsetzung des Wettbewerbsrechts während und nach der Coronavirus-Krise (ICN)

Kommission erläutert Möglichkeiten einer begrenzten Zusammenarbeit zwischen Unternehmen in der Coronakrise

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