Die Krise dürfe nicht zu einem Ausverkauf der deutschen und europäischen Wirtschaft führen – solche Rufe nach verstärktem Einsatz der nationalen Investitionsprüfung waren zuletzt auf europäischer und nationaler Ebene häufiger zu hören. Die Europäische Kommission hatte bereits Ende März einen Appell an die Mitgliedstaaten veröffentlicht, vorhandene Instrumente zur Prüfung ausländischer Investitionen in strategischen Industrien verstärkt zu nutzen, um ein Abwandern von Schlüsselindustrien ins Ausland zu verhindern – und die Regelungen der im April 2019 in Kraft getreten Verordnung (EU) 2019/452 (FDI-Screening) schnellstmöglich umzusetzen. Gestern hat der Bundeswirtschaftsminister einen Gesetzentwurf zur Novellierung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) vorgelegt, dessen Ziel es ist, ausländische Investitionen noch umfassender und vorausschauender prüfen zu können.

Zum Inhalt des Gesetzesentwurfs
Wesentliche Neuerung des Gesetzentwurfs ist die Anpassung des Prüfungsmaßstabes. Derzeit prüft das BMWi, ob die Transaktion die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Künftig genügt es, dass der Erwerb zu einer "voraussichtlichen Beeinträchtigung" der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führt. Vor dem Hintergrund der europaweiten Verschränkung der nationalen Prüfungen sollen neben den nationalen Interessen auch (Sicherheits-)Interessen anderer Mitgliedstaaten und EU-Programme bzw. –Projekte stärker Berücksichtigung finden.

Ferner sollen künftig alle meldepflichtigen Transaktionen mit Auslandsbezug schwebend unwirksam sein. Bislang gilt das nur für besonders sicherheitsrelevante Transaktionen (v.a. der Rüstungs- und IT-Sicherheitsbranche), die im Rahmen der sog. sektorspezifischen Prüfung geprüft werden. Die schwebende Unwirksamkeit wird von strafbewehrten Handlungsverboten flankiert. Hiermit soll verhindert werden, dass bereits vor Abschluss der Prüfung des BMWi Zugriff auf sicherheitsrelevante Technologien und Know-How ermöglicht wird und damit vollendete Tatsachen geschaffen werden. Für nicht meldepflichtige Transaktionen soll es aber beim Status Quo bleiben.
Der Gesetzentwurf sieht darüber hinaus die Einrichtung der durch die FDI Screening Verordnung vorgesehenen nationalen Kontaktstelle beim BMWi vor.

Geplante Überarbeitung der Außenwirtschaftsverordnung
Das BMWi plant außerdem eine Überarbeitung der Außenwirtschaftsverordnung (AWV), die in ihren §§ 55 ff. die Rahmenbedingungen der Investitionsprüfung enthält. Mit der Vorlage der überarbeiteten Verordnung ist in Kürze zu rechnen, auch wenn das BMWi noch keinen konkreten Zeitplan veröffentlicht hat.

Zu erwarten ist, dass die Verordnung weitere Fragen aufgreifen wird, die sich aus dem Inkrafttreten der FDI-Screening-Verordnung ergeben. Offen ist etwa, inwiefern die Bestimmung der Verordnung, dass Mitgliedstaaten und ggf. die Kommission auch insgesamt 15 Monate nach Abschluss von ausländischen Investitionen, die nicht Gegenstand einer nationalen Prüfung waren, noch Bedenken an den jeweiligen Mitgliedstaat richten können, die dieser zu berücksichtigen hat, mit dem derzeitigen Recht vereinbar ist. Bisher sieht das deutsche Recht vor, dass die Behörde längstens drei Monate nachdem sie Kenntnis vom geplanten Erwerb erlangt hat, die Prüfung eröffnen kann, § 55 Abs. 3 AWV.

Kommentar
Der Gesetzentwurf für eine Novelle des AWG wird zu einer Ausweitung der Überprüfung ausländischer Investitionen durch das BMWi führen. Transaktionen mit Auslandbezug vor allem in sicherheits- oder versorgungsrelevanten Bereichen werden künftig verstärkt in den Fokus der Behörden gelangen. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Corona-Krise ist mit wesentlichem Widerstand gegen die Pläne des BMWi kaum zu rechnen.

Links

Pressemitteilung des BMWi vom 8.4.2020

Informationsseite BMWi zur geplanten Gesetzesnovelle

Gesetzentwurf, Bearbeitungsstand 31.3.2020

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