EU-Kommission mahnt verstärkte Kontrolle ausländischer Investitionen an
Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie hat die Europäische Kommission mit den am 26.03.2020 herausgegebenen "Leitlinien für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen" einen eindringlichen Appell an die Mitgliedstaaten gerichtet, Beteiligungen ausländischer Investoren an europäischen Unternehmen vor allem in systemrelevanten Bereichen genau zu prüfen. Verschiedentlich war in den letzten Wochen die Befürchtung zu hören, die Krise könne einen Ausverkauf der europäischen bzw. deutschen Wirtschaft nach sich ziehen. Dem sollen die Mitgliedstaaten nun mit einer Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden nationalen Mittel zur Kontrolle ausländischer Direktbeteiligungen begegnen. Die Europäische Union sei weiter offen für ausländische Investitionen – es müsse allerdings verstärkt geprüft werden, wer und zu welchem Zweck investiere, um zu verhindern, dass strategische Vermögenswerte verkauft würden.
Auch in der Krise wird das Bundeswirtschaftsministerium ausländische Investitionen in Deutschland genau prüfen, davon ist in Folge der jüngsten Mahnung aus Brüssel auszugehen. Jedenfalls in "systemrelevanten" Branchen ist bei Transaktionen mit Auslandsbezug künftig sogar mit einer verstärkten und vermutlich auch durchschnittlich zeitintensiveren Prüfung durch die deutschen Behörden zu rechnen.
Die Leitlinien für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen
Nach den "Leitlinien für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen" sollen insbesondere ausländische Direktinvestitionen in europäische Unternehmen in "strategischen Industrien" verstärkt geprüft werden. Die EU-Mitgliedstaaten sollen dabei auf bestehende nationale Kontrollmechanismen zurückgreifen. Ziel müsse sein "Kapitalbewegungen aus Nicht-EU-Staaten zu verhindern, die Europas Sicherheit oder öffentliche Ordnung untergraben könnten". Im Fokus der EU-Kommission stehen dabei vor allem, aber nicht ausschließlich, die Bereiche Gesundheitswesen (medizinische oder Schutzausrüstung) und Forschung (etwa die Entwicklung von Schutzimpfungen).
Gleichzeitig fordert die EU alle Mitgliedstaaten, die bisher keine Kontrollmechanismen für ausländische Investitionen erlassen haben, auf, solche schnellstmöglich in nationales Recht umzusetzen. Bis zum Inkrafttreten solcher Regelungen sollen diese Länder möglichst auf andere verfügbare Mittel zurückgreifen, um dem Ausverkauf europäischer Unternehmen und Schlüsseltechnologien entgegenzuwirken.
Zur geltenden Rechtslage in Deutschland
In Deutschland unterliegen viele ausländische Investitionen bereits heute einer Prüfung durch das Bundeswirtschaftsministerium. Ob eine Transaktion wie geplant vollzogen werden kann, richtet sich nach den §§ 55 ff. AWV. Einige besonders sensible Bereiche benennt das Gesetz selbst, z.B. den Rüstungs- und IT-Sicherheits-Bereich (bspw. Verschlüsselungstechnologien) oder auch besonders (sicherheits-)relevante zivile Industrien, etwa Telekommunikation, Gesundheit oder Energie. Die Prüfungsschwelle in diesen Bereichen liegt niedrig, bereits eine direkte oder indirekte Auslandsbeteiligung in Höhe von 10% führt zu einer Einschaltung der Behörde. Unterfällt die Tätigkeit des zu erwerbenden Unternehmens nicht den genannten besonders sicherheitsrelevanten Bereichen, ist das Unternehmen aber in Bereichen tätig, die relevant für die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik sind, kann die Behörde ab einer direkten oder indirekten (außereuropäischen) ausländischen Beteiligung von 25% eine Prüfung einleiten.
Derzeit verfügen neben Deutschland nur 13 der EU-Mitgliedstaaten über vergleichbare Kontrollmöglichkeiten, da die Schaffung solcher erst durch die Verordnung (EU) 2019/452 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union ("FDI-Screening-Verordnung") am 11. Oktober 2020 verpflichtend wird.
Kommentar
Transaktionen unter Auslandsbeteiligung in Deutschland vor allem in den genannten Bereichen Gesundheitswesen und medizinische Forschung werden in den kommenden Wochen und Monaten einer verstärkten Kontrolle durch das Bundeswirtschaftsministerium unterliegen. Das dürfte auch für Bereiche gelten, die nicht bereits als Schlüsselindustrie ("kritische Infrastrukturen") nach § 55 Abs. 1 S. 2 AWV ohnehin im Fokus der Behörde stehen – sofern sie unter den gegebenen Umständen als strategische Industrie zu betrachten sind. Das gilt insbesondere für medizinische Forschungseinrichtungen sowie Unternehmen des Gesundheitswesens, die die maßgeblichen Schwellenwerte nicht überschreiten, gegebenenfalls aber auch für "systemrelevante" Unternehmen anderer Branchen, wie z.B. der Textilverarbeitung, die in der Herstellung von Schutzkleidung oder Atemschutzmasken tätig sind. Ob Verpflichtungen im Rahmen des Investitionsprüfverfahrens bestehen, oder eine Kontaktaufnahme mit den Behörden aus sonstigen Gründen angezeigt ist, sollte bei jeder Unternehmenstransaktion mit Auslandsbezug verstärkt geprüft werden.
Pressemitteilung der Kommission vom 26.03.2020
Leitlinien der Europäischen Kommission für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen
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