Seit der letzten GWB-Novelle können Unternehmenszusammenschlüsse in Deutschland auch dann der Fusionskontrolle unterliegen, wenn der Zusammenschluss einen bestimmten Wert erreicht.

Bislang waren Zusammenschlüsse von Unternehmen nur dann anzumelden und zu überprüfen, wenn die beteiligten Unternehmen bestimmte Mindestumsätze erzielten. In Folge der Änderung gab es Unsicherheiten darüber, ob dadurch vermehrt Transaktionen von Unternehmen im Ausland der deutschen Fusionskontrolle unterliegen und welcher Bezug zum deutschen Markt erforderlich ist. Zur Klärung hat das Bundeskartellamt (BKartA) in Kooperation mit der österreichischen BWB am 9. Juli 2018 einen Leitfaden veröffentlicht.

Neue Aufgreifschwelle

Nach den bisher geltenden Aufgreifschwellen muss ein beteiligtes Unternehmen mindestens einen Umsatz von € 5 Mio. (und ein anderes beteiligtes Unternehmen min. € 25 Mio.) im Inland erzielt haben. Zusätzlich muss der weltweite Umsatz der beteiligten Unternehmen gemeinsam mehr als € 500 Mio. betragen haben. Nach der neuen Aufgreifschwelle ist ein Zusammenschluss auch dann anzumelden, wenn zwar weder das zu erwerbende Unternehmen noch ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von jeweils mehr als € 5 Mio. im Inland erzielt haben, wenn aber

  • der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss mehr als € 400 Mio. beträgt und
  • das zu erwerbende Unternehmen in erheblichem Umfang auf dem deutschen Markt tätig ist.

Der Leitfaden erläutert nun insbesondere die Berechnung des "Wertes der Gegenleistung" und die Feststellung des "erheblichen Umfangs der Inlandstätigkeit".  

Wert der Gegenleistung

Der Wert der Gegenleistung ist nach Aussage des BKartA weit zu verstehen und umfasst alle Vermögensgegenstände und sonstigen geldwerten Leistungen, die der Veräußerer vom Erwerber im Zusammenhang mit dem infrage stehenden Zusammenschluss erhält. Das schließt etwa alle Geldzahlungen ein, die Übertragung von Stimmrechten, Wertpapieren, von Sachanlagen sowie immaterielle Vermögensgegenstände. Dazu zählen auch Gegenleistungen, die an den Eintritt bestimmter Bedingungen geknüpft sind, wie sie beispielsweise in sogenannten Earn-Out-Klauseln enthalten sind. Auch ist etwa die Zahlung für einen Wettbewerbsverzicht einzubeziehen. Bei der Berechnung des Wertes kann also nicht einfach auf den Kaufpreis abgestellt werden.

Dabei sollen auch mehrere Erwerbsvorgänge zu einem einheitlichen Zusammenschluss zusammenzufassen sein, die bei wirtschaftlicher Betrachtung einen einheitlichen Vorgang bilden und die Struktur des fusionsbetroffenen Marktes beeinflussen können.

Der Leitfaden enthält detaillierte Hinweise zu bestimmten Konstellationen. Herrscht dennoch Unklarheit darüber, ob der Schwellenwert von € 400 Mio. überschritten wird, kann eine vorsorgliche Anmeldung erfolgen, um einen Verstoß gegen das Vollzugsverbot zu verhindern, so die Aufforderung des BKartA.

Erheblicher Umfang der Inlandstätigkeit

Die Anwendbarkeit der Fusionskontrolle ist hier an eine erhebliche Inlandstätigkeit des zu erwerbenden Unternehmens geknüpft. Die Inlandstätigkeit wird in der Regel nicht mittels Inlandsumsätzen bemessen. Für unterschiedliche Branchen und Tätigkeiten können dabei unterschiedliche Kriterien zur Tätigkeitsmessung infrage kommen. Im digitalen Bereich dienen etwa die Nutzerzahlen („Monthly Active User“) oder die Zugriffshäufigkeit einer Website („unique visitor“) als mögliche Indikatoren. In der Regel wird der Standort des Kunden relevant sein. Eine relevante Tätigkeit kann aber auch, so der Leitfaden, in einer Forschungs- und Entwicklungstätigkeit liegen.

Bei der Inlandstätigkeit muss es sich um eine aktuelle Tätigkeit handeln. Anders als bei der Prüfung der Umsatzschwellen wird also nicht auf das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss abgestellt, sondern auf die aktuelle Tätigkeit des Zielunternehmens zum Zeitpunkt des Vollzugs des Zusammenschlusses.

Die Inlandstätigkeit muss zusätzlich zum Marktbezug einen erheblichen Umfang aufweisen, eine marginale Tätigkeit im Inland reicht also nicht aus. Zur Erheblichkeit führt der Leitfaden aus, dass das BKartA die Erheblichkeit dann verneinen wird, wenn das Zielunternehmen im Inland Umsatzerlöse erzielte, die unter € 5 Mio. lagen, und diese Umsatzerlöse die Marktposition und das wettbewerbliche Potential angemessen widerspiegeln.

Fallbeispiele

Der Leitfaden gibt im Anschluss Fallbeispiele zu den Konstellationen:

  • Smartphone Kommunikations-App
  • International tätiger Sportartikelhersteller kauft Softwareschmiede
  • Maschinenbauer kauft etablierten Spezialmotorenhersteller
  • Erwerb eines pharmazeutischen Wirkstoffes

Zusammenschlusstatbestand

Das BKartA stellt in diesem Zusammenhang schließlich noch klar, dass ein Zusammenschlusstatbestand nicht nur bei der Übertragung von Unternehmensanteilen vorliegen kann, sondern auch bei dem Erwerb einzelner Vermögensgegenstände (asset deal) wie der Übertragung von Lizenzen oder sonstiger Rechte an Forschungsergebnissen.
 
Links:

Gemeinsamer Leitfaden zur neuen Transaktionswert-Schwelle in der Fusionskontrolle – finale Version in Österreich und Deutschland

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