- Keine Klarheit bei Zahlung und kaum Transparenz bei der Vermeidung von Steuern in Deutschland
- staatliche Verluste durch Steuervermeidung multinationaler Unternehmen in mindestens zweistelliger Milliardenhöhe
- Vermeidungsmöglichkeiten begünstigen große, multinationale Unternehmen gegenüber kleineren Unternehmen
- Studie identifiziert rechtliche Grauzonen und diskutiert zivilgesellschaftliche Alternativen
- profilierte Experten schlagen ein "Steuer-Siegel" als Instrument vor
- Siegel informiert die Öffentlichkeit, soll aber auch Druck für nachhaltige Lösungen stärken
Nach einer Studie der Otto Brenner Stiftung über "Unternehmensteuer in Deutschland" werden Unternehmen nicht gleichmäßig und entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert. Ein zentraler Befund der empirischen Untersuchung ist allerdings auch, dass nicht genügend Informationen für einen umfassenden Vergleich von fairer Steuerzahlung und aggressiver Steuervermeidung öffentlich verfügbar sind. Es lassen sich Unterschiede zwischen Unternehmen feststellen: Einige Konzerne (Hugendubel, Lidl, Rewe, Aldi und Amazon) unterhalten Tochtergesellschaften in Steueroasen, denen aufgrund der zugänglichen Daten keine wirtschaftlichen Aktivitäten zugeordnet werden können. Andere Unternehmen veröffentlichen hingegen freiwillig zusätzliche Informationen über ihre Steuerzahlungen. Insgesamt kann das Ausmaß der unternehmerischen Steuervermeidungspraktiken, so ein weiteres Ergebnis der Studie, von zivilgesellschaftlichen Akteuren gegenwärtig nur mit erheblichem Aufwand (z.B. dank Rechercheprojekten wie den Panama- und Paradise-Papers) bewertet werden. Die Folge ist, dass das ungelöste Problem der Steuerzahlung und Steuervermeidung der Verhandlung zwischen Unternehmensexperten und nationalen Steuerbehörden überlassen bleibt.
Der steuerliche Spielraum der einzelnen Unternehmen, der auf Basis einer empirischen Analyse von vielfältigen Daten identifiziert worden ist, ist Anlass, ein "Steuer-Siegel" für faire (Unternehmens-) Steuerzahler als ersten Schritt vorzuschlagen. Die AutorInnen der Studie entwickeln und prüfen die Siegelkriterien. Sie kommen zwar zu dem Schluss, dass ein solches Siegel weder gesetzliche Maßnahmen noch die Arbeit der Betriebsprüfer ersetzen kann. Auch für die konkrete Umsetzung besteht nach Auffassung der SteuerexpertInnen noch Entwicklungsbedarf. Andererseits sehen sie in dem Siegel aber auch ein erstes wirksames Instrument, um die Neigung konkreter Unternehmen zu aggressiver Steuervermeidung besser zu beurteilen sowie positive Bemühungen von Unternehmen öffentlich sichtbar zu machen. Ein Siegel, so die Überzeugung von Stiftung und Studienautoren, hilft interessierten Bürgern und einer engagierten Zivilgesellschaft dabei, sich eine informierte Meinung zur Steuerdebatte zu bilden und kann auch den Druck erhöhen, nachhaltige politische Lösungen anzustreben und umzusetzen. Wichtig ist, dass der vorgeschlagene und untersuchte Ansatz des "Steuer-Siegels" nur ein Schritt in einer Reihe von Maßnahmen, die eine funktionierende Unternehmensbesteuerung gewährleisten sollen, darstellt. In der Studie werden deshalb weitere Vorschläge zur Diskussion gestellt, die sich an Politik, Unternehmen, Wissenschaft und Öffentlichkeit richten.
Die empirische Untersuchung beschäftigt sich mit Steuervermeidung von Unternehmen in Deutschland. Sie analysiert dazu vierzig Unternehmen des deutschen Einzelhandels der Branchen Lebensmittel, Bücher und Bekleidung. Es wird getestet, ob Unternehmen mit fairen Steuerpraktiken anhand öffentlich verfügbarer Informationen identifiziert werden können, bevor diskutiert wird, ob die Einführung eines Siegels für faire (Unternehmens-) Steuerzahlungen in Deutschland möglich und sinnvoll ist. Dazu wird in die Literatur und die Debatten zur Unternehmensbesteuerung eingeführt, ein Kriterienkatalog zur Bewertung der Steuerpraktiken entwickelt und dieser schließlich empirisch an ausgewählten Fällen erprobt. Die Studie greift auf eine Vielzahl öffentlich zugänglicher Daten zurück. Für die Untersuchung wurden u.a. Unternehmensregister gesichtet und Jahresabschlüsse der Unternehmen auswertet.
Die Studie "Unternehmensteuer in Deutschland. Rechtliche Grauzonen und zivilgesellschaftliche Alternativen" wurde von Christoph Trautvetter, Silke Ötsch, Markus Henn durchgeführt, von der Otto Brenner Stiftung gefördert und ist dort als Arbeitspapier 28 erschienen. Das Autorenteam engagiert sich u.a. im Netzwerk Steuergerechtigkeit und ist für Attac aktiv.
Christoph Trautvetter, Silke Ötsch, Markus Henn: Unternehmensteuern in Deutschland. Rechtliche Grauzonen und zivilgesellschaftliche Alternativen, OBS-Arbeitspapier 28, Frankfurt am Main, April 2018 (http://ow.ly/PACL30jAr8i)
Die Otto Brenner Stiftung ist die Wissenschaftsstiftung der IG Metall mit Sitz in Frankfurt am Main.
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