Man muss ein wenig an das klassische Henne-Ei-Problem denken: Gehen Schüler und Schülerinnen mit guten räumlichen Fähigkeiten – unbewusst – in den MINT-Bereich? Oder basiert das räumliche Denkvermögen auf einem Trainingseffekt? „So genau wissen wir das nicht“, sagt Prof. Dr. Sven Bertel, Professor für Usability an der Hochschule Flensburg. Tatsache aber ist: Die Fähigkeit, räumlich zu denken, eine wichtige Komponente für MINT-Fächer, lässt sich trainieren. Wie man das am besten macht und welche Werkzeuge sich eignen – das will Bertel jetzt im Rahmen des Projektes „Digitale Werkzeuge zum Training kognitiver räumlicher Fähigkeiten“ erforschen.
Sven Bertel hat zum Thema Raumkognition promoviert und sich auch während seines USA-Aufenthaltes intensiv mit der Materie auseinandergesetzt. Jenseits des Atlantiks finden sich, so Bertel, Übungen, die das räumliche Denken trainieren, häufiger auf Lehrplänen in den Schulen wieder. „In Grundschulen wird bei uns in Deutschland stärker auf die analytischen, mathematischen und verbalen Fähigkeiten der Kinder abgestellt. Es werden weniger die räumlichen Fähigkeiten trainiert“, sagt der Flensburger Professor. Sein Ziel ist es daher, eine Trainingsapp zu entwickeln.
Auf einem Tablet sollen Schülerinnen und Schüler geometrische Figuren in Beziehung zueinander setzen, gleiche Formen erkennen oder Figuren zusammensetzen. Dabei wird aufgezeichnet, welche Lösungswege die Probanden beschreiten. Mit den gesammelten Daten werden dann die Unterschiede identifiziert zwischen denen, die gute räumliche Fähigkeiten haben, und denen, deren räumliches Denken weniger ausgeprägt ist. Mithilfe einer adaptiven Schnittstelle, eines sogenannten Interfaces, und leichten Druckes aus dem Interface sollen dann in Zukunft über die App die Lösungsstrategien derer, die gut räumlich denken können, vermittelt werden. Sven Bertel und seine Doktorandin Stefanie Wetzel sehen in einer solchen Trainigsapp auch Potenzial für die berufliche Bildung. So könnte diese in der Berufsfindungsphase die bestehenden Tests sinnvoll ergänzen. Dazu passt, dass mit Prof. Dr. Axel Grimm ein ausgewiesener Experte für die berufliche Bildung mit an Bord des 370.000-Euro-Projekts ist. Zunächst ist aber auch der Einsatz in allgemeinbildenden Schulen geplant.
Um die Apps schneller in die Schulen zu bekommen und auch entsprechende Rückmeldung zu erhalten, um Optimierungen vornehmen zu können, ist eine gute Zusammenarbeit mit Bildungsforschern unerlässlich. „Anhand der zunehmenden Zahl von Tablet-Klassen sehen wir, dass der Bedarf da ist“, sagt Bertel. Außerdem passe sein Projekt hervorragend in die Digitalisierungsstrategie des Landes Schleswig-Holstein. Und nicht zuletzt die Kultusministerkonferenz hat vorgegeben, dass Lehrer und Lehreinnen befähigt werden sollen, mit digitalen Werkzeugen im Unterricht umzugehen.
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