Die Erwartungen der Industrieverbände an die Reform der Insolvenzanfechtung waren groß. Im Rahmen der Anfechtung forderten Insolvenzverwalter eigentlich berechtigte Zahlungen für Lieferungen und Dienstleistungen von Unternehmen zurück, wenn der Kunde später in die Insolvenz ging. Die ausufernden Rückforderungen sollten mit der Reform gestoppt werden. Anfang April trat das neue Gesetz in Kraft. Nun mehren sich die Stimmen, die eine Verschlechterung für Unternehmer befürchten.

Von einer verbesserten Rechtssicherheit und -klarheit sei man meilenweit entfernt und die Praxis werde vor eine Vielzahl neuer Probleme gestellt, kritisiert Prof. Dr. Gerhard Pape, Richter am Bundesgerichtshof, im Steuermagazin nwb (NWB Nr. 37 vom 11.09.2017) die Auswirkungen der Reform des Insolvenzanfechtungsrechts. Zudem stellt das Mitglied des für das Insolvenzrecht zuständigen IX. Senats klar, dass der Gesetzgeber im Wesentlichen nur die bisherige BGH-Rechtsprechung umgesetzt habe und zentrale Änderungen der Reform das Anfechtungsrisiko nicht verringern.

Ähnlich sieht das der Anfechtungsrechtsexperte Dr. Olaf Hiebert von der Wirtschaftskanzlei Buchalik Brömmekamp, der die Wirkungslosigkeit des neuen Gesetzes und die gestiegene Komplexität nach der Reform anmahnt: „Die maßgeblichen Vorschriften wurden entweder nicht geändert oder so erheblich und zugleich wirkungslos verkompliziert, dass die Rechtsunsicherheiten zunehmen. Die Änderung wird die Gerichte über viele Jahre beschäftigen und bietet Insolvenzverwaltern zahlreiche Möglichkeiten, die Vorschriften zu Lasten der Gläubiger zu interpretieren.“

Eine Neuerung ist die Verkürzung der Anfechtungsfrist von zehn auf vier Jahre. Rund 90 Prozent der Verfahren betrafen jedoch schon heute den Anfechtungszeitraum von vier Jahren. Die neue Reform schließt damit gerade einmal zehn Prozent der Verfahren aus. Auch das geänderte Bargeschäftsprivileg läuft ins Leere. Ein solcher als Bargeschäft bezeichneter Leistungsaustausch liegt nur vor, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung maximal 30 Tage liegen. Dass zwischen Warenlieferung oder Dienstleistung und der Bezahlung der Rechnung nur 30 Tage vergehen, ist aber branchenübergreifend absolut unüblich.

Nach der Reform sollen zudem Ratenzahlungen oder andere Zahlungserleichterungen kein Indiz mehr dafür sein, dass der Gläubiger eine Zahlungsunfähigkeit seines Kunden kannte. Die Klarstellung im Gesetz hat jedoch kaum Auswirkungen bei Anfechtungsprozessen, da Anfechtungen höchst selten allein auf Ratenzahlungen gestützt werden. Es müssen immer alle Beweisanzeichen beachtet werden, wenn geprüft wird, ob der Gläubiger bei der Zahlung wusste, dass der Schuldner zahlungsunfähig ist. „Eine grundlegende Abkehr von der Rechtsprechung des BGH ist hier nicht zu erkennen“, erklärt BGH-Richter Prof. Pape.

Die Reform der Insolvenzanfechtung wird laut Expertenmeinung die Probleme für die am Wirtschaftsleben Beteiligten nicht lösen. Vor allem mittelständische Unternehmen, aber auch Vermieter und Berater tragen weiterhin ein nahezu unverändertes Anfechtungsrisiko (vgl. z.B. Hiebert in: KSI 2017, Seiten 113 bis 118). „Die Äußerungen von Prof. Pape verdeutlichen, dass es keine Verbesserung der Rechtssicherheit für die Gläubiger geben wird. Das bestätigen auch unsere Erfahrungen, die wir in Prozessen nach Inkrafttreten der Reform gemacht haben“, so Dr. Hiebert. Der Anfechtungsexperte befürchtet zudem, dass angesichts der Rechtsunsicherheiten der Druck auf Gläubiger steigen werde, Vergleiche mit dem Insolvenzverwalter zu schließen. Deshalb sei es zwingend notwendig, schon in der normalen Geschäftsbeziehung die Weichen richtig zu stellen, um eine Insolvenzanfechtung zu vermeiden.

Oft werde schon bei der Vertragsgestaltung der Grundstein für ein erhöhtes Anfechtungsrisiko gelegt. Der Kaufvertrag sollte deshalb so gestaltet sein, dass der Kunde pünktlich zahlen kann. Wenn dagegen frühzeitig klar wird, dass der Kunde erst zu einem viel späteren Zeitpunkt zahlen kann, beispielsweise, weil dessen Auftraggeber erst leisten muss, sollten lange Zahlungsziele vereinbart werden, damit der Schuldner nicht in Verzug kommt. „Möchte der Kunde zu einem späteren Zeitpunkt zahlen als ursprünglich vereinbart, sollte die Stundung schriftlich oder per E-Mail erfolgen, damit sie für einen erst viele Jahre später kommenden Gerichtsprozess dokumentiert ist“, erklärt Dr. Olaf Hiebert von Buchalik Brömmekamp.

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