Ausgangspunkt für die nun erschienene Studie ist das Phänomen der „Psychopathen in Nadelstreifen“. „Das sind Menschen, die durchaus individuell erfolgreich und vielfach in leitenden Positionen in Unternehmen arbeiten, allerdings hochgradig egoistisch, skrupellos, manipulativ und empathielos agieren“, sagt Volker Lingnau, der den Lehrstuhl für Unternehmensrechnung und Controlling an der TU Kaiserslautern leitet. „Diese interessieren uns besonders, da wir annehmen, dass sie Unternehmen nachhaltig schädigen können.“
Es sei aber wichtig, diese Ausprägung der Psychopathie vom Alltagsverständnis über Psychopathen zu differenzieren. Wie dies etwa im Thriller „American Psycho“ mit US-Schauspieler Christian Bale in der Hauptrolle der Fall ist, der als Patrick Bateman durch brutale körperliche Gewalt auffällig wird und mit dem Gesetz in Konflikt gerät. Dagegen können Unternehmenspsychopathen – auch „erfolgreiche“ oder in Anlehnung an den kanadischen Kriminalpsychologen Robert D. Hare „Faktor 1-Psychopathen“ genannt – ihre „dunklen“ Charakterzüge mittels hoher Intelligenz meist gut verbergen. „Unternehmensskandale, wie beispielsweise beim 2001 durch massiven Bilanzbetrug insolvent gegangenen amerikanischen Energieriesen Enron, zeigen, dass Unternehmenspsychopathen durch ihre Fähigkeit, ohne Gewissensbisse zu lügen und zu manipulieren, für Wirtschaft und Gesellschaft eine existenzielle Gefahr darstellen können“, so Professor Lingnau.
Die Wirtschaftswissenschaftler haben sich daher mit der Frage beschäftigt, inwiefern Persönlichkeiten mit den Charaktermerkmalen eines Unternehmenspsychopathen eher bereit sind, Bilanzmanipulationen und Insiderhandel zu akzeptieren – zwei der klassischen Formen der Wirtschaftskriminalität, die wie bei Enron, oft auch zusammen auftreten.
Für ihre Studie haben sie zwei Online-Umfragen durchgeführt, an welcher sich insgesamt 469 Personen beteiligt haben. Dabei haben sie zunächst die psychopathischen Tendenzen der Teilnehmer untersucht. Im Anschluss haben sie überprüft, wie ihre Einstellung gegenüber dem Verhalten anderer Personen ist, die Bilanzen manipulieren und Insiderhandel betreiben.
In ihrer Arbeit kommt das Team um Lingnau zu dem Schluss, dass diejenigen Faktoren, welche die „dunklen“ Charaktereigenschaften der Unternehmenspsychopathen widerspiegeln, eine signifikant höhere Zustimmung zu den zwei Formen der Wirtschaftskriminalität voraussagen. „Besonders aussagekräftig waren hierbei die beiden Faktoren Kaltherzigkeit und der sogenannte Machiavellistische Egoismus, der sich durch besondere Rücksichtslosigkeit und manipulative Fähigkeiten auszeichnet. Beide Persönlichkeitsfaktoren können somit als absolute Risikofaktoren gesehen werden und sollten zum Beispiel bei Einstellungstests berücksichtigt werden“, sagt Lingnau.
Zudem zeigt die Studie auf, wie es in der unternehmerischen Praxis gelingen kann, Aufstiegen solcher Psychopathen vorzubeugen. Neben sozialen Arbeitsbedingungen, in welchen sie aufgrund ihrer sozialen Inkompetenz früher oder später auffällig werden, kann auch eine entsprechende Schulung der Kollegen hilfreich sein. Darüber hinaus diskutieren die Forscher, wie neue Anreizsysteme helfen können, den Aufstieg für Psychopathen zu erschweren oder ein solches Unternehmen für diese Personen unattraktiver erscheinen zu lassen.
Die Studie „The Influence of Psychopathic Traits on the Acceptance of White-Collar Crime: Do Corporate Psychopaths Cook the Books and Misuse the News?“ wurde in der renommierten Fachzeitschrift „Journal of Business Economics” veröffentlicht: http://link.springer.com/…
Einen reinen Lesezugang für Interessierte ohne Abonnement der Zeitschrift findet sich unter: http://rdcu.be/tvuR.
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